Nachts unter der steinernen Bruecke
arm, daß er sich nur alle Wochen einmal im Wirtshaus ein Stück Gebratenes und einen Schoppen Wein vergönnen kann. Ist unzufrieden, weil er, wie er sagt, ohne Geld nichts Großes unternehmen könne, hat mich mehrmals schon gefragt, wie es einer anstellen müßte, daß er rasch zu Geld kam', läßt merken, daß ihm jede Sache recht wäre, auch wenn sie gefährlich, ja selbst wenn sie gegen die Ordnung des Königreiches gerichtet wäre. Sagt, auf geraden Wegen sei es in diesen Zeiten schwer, etwas zu erlangen.«
»Das klingt alles recht gut und vielverheißend«, meinte der Barvitius. »Aber sag mir, — wie alt ist dieser Edelmann?«
»Nicht gar viel über zwanzig.«
»Oh weh!« rief der Barvitius. »Holz von grünem Strauch...«
»Ich weiß«, sagte der Leitnizer. »... gibt nicht viel Feuer, macht viel Rauch. Aber das gilt nicht für den Waldstein. Der ist schon der Rechte. Ein Kerl, dem kein Graben zu tief und keine Mauer zu hoch ist. Er hat mit einem halben Dutzend seiner Dragoner einen türkischen Wesir mitten aus dem Türkenlager herausgeholt und hat ihn mit sich fortgeführt.«
»Dann ist er vielleicht doch der Rechte«, gab der Barvitius zu. »Geh hin, sprich mit ihm! Üb aber Vorsicht, sag ihm nicht zu viel, denn bei solch einem jungen Gesellen, da ist das Gewissen oft noch wie ein Füllen, das um sich schlägt, wenn man ihm zu nahe tritt.«
»Seid ohne Sorge«, sagte der Leitnizer. »Ich werd' ihm die Sache schon so vorzupfeifen wissen, daß sie ihm gefällt.«
Der junge Albrecht von Waldstein, der nach des Leitnizers Aussage und Meinung der Rechte war, den Anschlag des Barvitius ins Werk zu setzen, — dieser Herr von Waldstein wohnte damals bei einer Schneiderswitwe in einem kleinen und etwas windschief geratenen Haus, das unterhalb des Hradschins in jenem Teil der Stadt lag, der »die kleine Seite« genannt wird. Von dem Fenster seiner schmalen Dachkammer hatte er einen weiten Blick bis hinunter zum Strahover Kloster. Aber wenn er des Morgens ans Fenster trat, fiel sein Auge zuerst auf den kleinen Küchengarten der Schneiderswitwe, in dem sich, sehr zu des Herrn von Waldsteins Arger, ihre beiden Ziegen, ihre Hühner und ihr Hund Lumpus meckernd, gackernd und kläffend umhertrieben. Den meisten Verdruß aber machte ihm der Hahn, ein kleiner, zerzauster Geselle, den die Schneiderswitwe ihren »Jeremias« nannte, weil sein Krähen so jammervoll und traurig klang, als hätte er das Elend der Welt zu beweinen. Und wenn dem Herrn von Waldstein der Lärm zu arg wurde, dann ließ er den Polybius, in dem er studierte, und lief die Treppe hinunter und in die Küche, in der die Schneiderswitwe mit dem Schaumlöffel, mit den Pfannen und den Töpfen hantierte. Er schrie, er könne es nicht länger ertragen, das sei ja die Hölle, und man sollte dem Lärm ein Ende machen, sonst müsse er fort, — und die Schneiderswitwe lachte und sagte, sie hielte die Hühner nicht um des Gackerns willen, wenn der Herr Milchsuppe und Eierkuchen haben wollte, dann müsse er auch die Ziegen und das Federvieh gewähren lassen, und was den Jeremias beträfe, dessen Tage seien gezählt, und er werde ihnen bald zu einem Sonntagsbraten dienen.
Am Nachmittag ging es im Küchengarten weniger laut zu. Der Lumpus war nicht mehr hinter den Ziegen und den Hühnern her, er hatte sich davongemacht und strich durch die Gassen der kleinen Seite. Erst in der Nacht kam er zurück und immer um die gleiche Stunde, wenn nämlich die Glocke des Loretokirchleins zwölf Uhr geschlagen hatte. Er kläffte und winselte vor dem Haus, daß man ihm die Tür aufmachen sollt', und darüber erwachte der Jeremias und begann das Elend der Welt zu beklagen, und nun mengten sich auch die Ziegen ein, der Waldstein aber preßte die Hände an die Schläfen und stöhnte und schrie, das sei ja die Hölle, er wolle hier keine Nacht länger bleiben, bei Tag sei keine Ruhe und bei Nacht auch nicht. Indessen hatte die Schneiderswitwe den Lumpus eingelassen, der schlich sich still in seinen Winkel, die Ziegen gaben sich zufrieden und zuletzt schlief auch der Jeremias ein und vergaß das Elend der Welt.
Wenn also der Küchengarten mit den Hühnern, den Ziegen, dem Lumpus und dem Jeremias für den Waldstein die Hölle war, so lag gleich hinter der Hölle das Paradies. Das war ein großer, von schönem Gitterwerk und Taxushecken umschlossener Park, hinter dessen alten Bäumen die Giebel, der Schornstein und die Windfahnen eines kleinen Lustschlosses zu erkennen waren. Hier in
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