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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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muß man ihn mit Angel und Schnur aus dem Zuber ziehen. Aber einen Narren, der sein Geld verschenkt, kenne ich nicht, wünsche mir aber schon lange, einem solchen zu begegnen.«
»Er mag ein Narr sein oder nicht, er verschenkt sein Geld«, erklärte der Barvitius. »Er tut das in größter Heimlichkeit, er will, scheint es, nicht, daß es offenkundig werde. Und er verschenkt sein Geld nicht nur, er streut es aus, er stößt es von sich, ja, man sollt' es nicht glauben, er wirft es auf die Gasse hinaus. Er gibt den Leuten, die zu ihm kommen, Darlehen ohne Pfand, ohne Schuldbrief, ohne Bürgen und verlangt nur Stillschweigen von ihnen, es soll nicht einer vom andern wissen. Arme Mädchen, die sich verehlichen wollen, erhalten das Geld für ihre Aussteuer und wissen nicht, von wem es kommt. Er war es, der das alte Badhaus niederreißen ließ und ein neues baute, das alte war ihm nicht stattlich genug. Und ein neues Rathaus muß in der Judenstadt gebaut werden und ein Siechenhaus und eine Herberge für Waisenkinder, und mit wessen Geld? Mit des Meisls Geld. Und als ob es ihm auf diese Art nicht rasch genug durch die Finger ginge, will er jetzt, so wurde mir hinterbracht, alle Gassen und Winkel und Pfützen des Judenquartiers mit schönen Würfelsteinen pflastern lassen.«
»Das habt Ihr also gemeint, Patron, als Ihr sagtet, daß er sein Geld hinaus auf die Gasse wirft«, bemerkte der Leitnizer.
Der Barvitius stand auf und lachte leise vor sich hin.
»Lang wird er's nicht mehr tun, es ist Zeit, daß ich eingreife«, sagte er. »Ich will ihn aus seinem Haus holen und an einen sicheren Ort bringen und dort wird er bleiben, bis er sich losgekauft hat. Und loskaufen wird er sich mit solch einer Summe, daß wir sie unser Leben lang nicht werden aufzehren können. Viel werd' ich ihm nicht lassen, ich mein', die Judenstadt wird ungepflastert bleiben.«
Der Leitnizer nickte, ihm war es recht. Er begann im Kopf eine Rechnung aufzustellen, wie hoch eine Summe sich belaufen müßte, daß er und der Barvitius zeitlebens von ihr zehren könnten, kam aber mit dem Rechnen zu keinem Ende, denn der Barvitius, der einen Plan oder Abriß des Meisl-Hauses und der umliegenden Judengassen vor sich auf dem Tisch ausgebreitet hatte, blickte jetzt auf und fragte:
»Wie viele hast du, die für diese Sache zu brauchen sind, Georg?«
»Wir sind unser elf und, wenn es not tut, vierzehn«, gab der Leitnizer Bescheid.
»Elf oder vierzehn, — es ist um einen Mann zu wenig«, sagte der Barvitius. »Ja. Um einen Mann zu wenig«, wiederholte er, als der Leitnizer ihn verwundert ansah, mit Nachdruck. »Du wirst in dieser Sache nicht das Kommando führen, und auch von den anderen taugt keiner dazu. Denn es ist eine Sache, wie sie sonst nur der Krieg mit sich bringt. Ohne einigen Lärm, Verfolgung und Scharmützel wird es diesmal nicht abgehen, und da brauche ich einen, der es im Krieg gelernt hat, wie man mit einer Handvoll Leut' einen Anschlag ausführt, eine Person in ihrem Quartier aufhebt und sie sicher davonbringt, — einen, der, wenn er auf Hindernisse stößt, selbst weiß, was er zu tun hat, und nicht erst nach meinen Befehlen fragt, kurzum: Ich suche einen, der das Kriegshandwerk von Grund aus versteht und sich in einer Sache brauchen läßt, die ihm als einem Soldaten wohl nicht Ruhm und Beförderung einbringt, dafür aber...«
Er machte die Gebärde des Geldzählens.
»Einen solchen kenne ich«, erklärte der Leitnizer. »Ja, Patron, ich mein', ich hab' den Mann, den Ihr sucht. Ein junger Edelmann, von den Waldsteins einer. Hat sich im Türkenkrieg mit Bravour geschlagen, ist dann mit seinen Obristen in Streit gekommen, hat den Dienst quittiert, ist nach Prag gegangen und sitzt nun hier, studiert, hat die Stube voll Bücher...«
»Was studiert er?« wollte der Barvitius wissen.
»Studiert, wie er Stadt und Schloß Peterwardein oder die Festung Raab im Sturm nehmen könnte, läßt Truppen aufmarschieren, legt Minen, bringt die Artillerie in Stellung. Weiß einem auch genau darzulegen, wie die Römer bei Cannae hätten manövrieren müssen, um über den Hannibal zu triumphieren...«
»Schon gut. Weiter!« gebot der Rarvitius.
»Hängt dem sternguckerischen Aberglauben an«, setzt der Leitnizer seinen Bericht fort. »Sagt, der Mars und das Sternbild des Wagens, die seien am Himmel seine Patrone, und wenn der Mars im Bereich des Wagens stünde, das sei dann sein Tag, an dem gelänge ihm alles. Ist aber trotz dieser hohen himmlischen Protection so

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