Nachts unter der steinernen Bruecke
gehen, bevor ich Prag verlasse...«
Er verstummte und blickte eine Weile hindurch in Gedanken vor sich hin.
»Bevor wir aber gehen«, sprach er dann weiter, »will ich noch eine Sache ausführen, die ich schon lang im Kopf hab', — solch eine Sache, daß dem geschäftigen Herrn Stadthauptmann hinterher nichts anderes zu tun bleibt, als sich das Maul zu wischen, eine Sache, Georg, von der man noch nach Jahren in Prag, ja im ganzen Königreich sprechen soll.«
»Und was ist das für eine Sache, Patron?« fragte der Leitnizer voll Eifer.
Der Barvitius lehnte sich in seinen Stuhl zurück und verschränkte die Arme auf der Brust.
»Du weißt«, begann er, »daß ich meine Augen und Ohren überall habe, — auch in der Judenstadt. Und da ist einer, dessen nähere Bekanntschaft zu machen mich schon lang gelüstet. Juden und Christen umschwirren sein Haus wie die Fliegen den Milch topf. Alles, was er unternimmt, gelingt ihm. Die Juden sagen von ihm: >Wenn die ganze Stadt ein schwarzes Jahr hat, so ist das seine in Milch gekochte Und weiter sagen sie: >Er ist so reich, sogar auf den Honig streut er sich Zucker.< — Kennst du den Juden, weißt du wie er heißt?«
»Es ist der Mordechai Meisl, der sich auch Markus Meisl nennt, wohnt auf dem Dreibrunnenplatz«, gab der Leitnizer zur Antwort.
»Ja. Von dem ist die Rede«, bestätigte der Barvitius. »Er hat sein Gewerb' damit begonnen, daß er den kleinen Handwerksleuten auf geringes Pfand, das kein anderer nehmen wollt', Geld lieh, auf allerlei Kram, einen kupfernen Wagbalken, ein schlechtes Bocksfell, ein zerbeultes Messingbecken. Fuhr auch auf die Märkte nach Jicin, nach Chrudim, nach Welwarn, nach Caslau, wo die Wolle gehandelt wird, kaufte Wolle, soviel er vermochte, tauschte sie bei den Tuchmachern in der Altstadt gegen feines Tuch ein, das schickte er nach Linz auf die Bartholomäi-Messe, verdiente zwiefach, es gelang ihm alles. Wenn er das Geld liebte, so liebte ihn das Geld noch mehr, es schien ihn zu suchen, es lief ihm nach. Immer weiter dehnte sich seine Handelschaft. Und dann hat ihn der Kaiser durch einen Majestätsbrief in seinen Schutz genommen, gefördert und mit vielen Privilegien bedacht. Und es gibt Leut' dort oben«, — wiederum wies er mit dem Daumen über die rechte Schulter, »die sagen, die flüstern, die raunen, Seine Majestät, der Kaiser, sei heimlich mit dem Meisl associiert.«
»Der Kaiser? Mit dem Meisl? Mit dem Juden in der Judengasse?« rief der Leitnizer bestürzt und empört.
Der Barvitius zuckte die Achseln.
»Sie sagen es«, wiederholte er. »Und sie sagen auch, daß der Kaiser seit jenem Majestätsbrief immer Geld in seinen Truhen hat. Die alten Schulden, klagen die Leut', werden nicht bezahlt, aber für seine Kunst- und Raritätenkammer läßt der Kaiser Kostbarkeiten aus allen Teilen der Welt kommen. Der Mansfeld kauft in den Niederlanden Gemälde für ihn ein, der Khevenhueller in Madrid, der Harrach in Rom und Florenz. Aus Mantua kommen marmorne Statuen und Reliefs. Der Abt von St. Moriz in Besan^on schickt ihm Ringe und geschnittene Steine, die man in römischen Gräbern gefunden hat. Von den Welsern und Hochstaettern in Augsburg kommen Wundervögel aus der neuen Welt. Der Kurfürst zu Pfalz hat ihm einen elfenbeinernen Altar mit Darstellungen aus dem Leben Christi gebracht und ein Mönch aus Alexandria den Stab Mosis zugleich mit einer Urkunde, in der die Echtheit dieses Stücks bewiesen war, aber der Kaiser wollt' es nicht haben, er sagte, der Stab sei vordem eine Schlange gewesen und könnt' wiederum eine werden. Der Antonio di Giorgio verfertigt sphärische und parabolische Spiegel für ihn und der Miseroni krystallene Pokale, — und für all dies ist Geld da. Woher kommt es, frag' ich.«
»Der Kaiser mit dem Juden in der Judengasse! Ich kann's nicht glauben«, murmelte der Leitnizer. »Weißt du denn, wie es in der Welt zugeht? Was weißt du von der Welt? Nichts weißt du«, hielt ihm der Barvitius vor. »Wir haben uns auch nicht um Seine Majestät, den Kaiser, zu bekümmern, sondern um den Meisl-Juden, und da heißt es rasch zugreifen, sonst gehen wir leer aus, denn er ist ein Narr geworden und verschenkt sein Geld.« »Ich kenne einen Narren«, warf der Leitnizer ein, »der läuft im bloßen Hemd durch die Straßen und schreit, man solle Wasser über ihn gießen, er sei eine Seele im Fegefeuer, und einen kenne ich, der hält sich für einen Fisch, sitzt tagsüber in einem Zuber, und des Nachts, wenn er zu Bette gehen soll,
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