Nachts unter der steinernen Bruecke
Seiner Majestät ein weiter Weg.«
»Daß dich ...!« entfuhr es dem Kaiser, aber er unterdrückte den Zorn und den Verdruß, und dann sagte er mit einer Stimme, aus der sogar ein wenig Schuldbekenntnis klang:
»Vor zwei Wochen hat er dem Miseroni zwölf Gulden reichen lassen.«
»Ja, zwölf von den hundertzwanzig, die er ihm schuldet«, stellte der Maler fest.
»Ich mein', zwölf Gulden sind für einen Schneider ein schönes Geld«, meldete sich der Flickschneider zu Wort, der in dem Steinschneider eine Art von Zunftgenossen sah. »Was aber den Kaiser und böhmischen König betrifft, so sagen die Leute, daß, wer ihn sehen will, sich als Stallbursche, Pferdewärter oder Gärtner verkleiden muß. Denn nur seinen Lustgarten und die Ställe besucht er alle Tage.«
»Vielleicht«, sagte der Kaiser und seine Stirne furchte sich, »meidet er die Menschen, von denen er alle Tage immer nur die gleichen Worte hört: Hilf, Kaiser! Gib! Gewähre! Schenke! Mach mich glücklich! Mach mich reich!«
»Und es heißt auch«, fuhr der Flickschneider fort, »daß drei Leute oben in der Burg, ein Kammerdiener, ein Sterndeuter und ein Antiquar an des Kaisers Stelle das Land regieren und die Steuern ausschreiben.«
»Wenn Ihr morgen um diese Stunde«, wandte sich der Kaiser an den Maler, »in den kaiserlichen Lustgarten kommt, werdet Ihr Seiner Majestät begegnen, könnt Euer Anliegen vorbringen.«
»Mein Anliegen?« verwunderte sich der Maler.
»Ja. Daß Ihr begehrt, Seiner Majestät mit Eurer Kunst zu dienen«, erklärte ihm der Kaiser.
Der Maler Brabanzio nahm seine Stifte und Kreiden und ordnete sie auf dem Fensterbrett zu einer Beihe.
»Toren sind, die den Königen dienen«, sagte er. »Und es steht auch geschrieben: Trauet nicht den Fürsten, denn es ist kein Heil bei ihnen. Herr! Ich will nicht. Weder diesem König noch einem anderen will ich dienen.«
»Da habt Ihr es«, ereiferte sich der Flickschneider. »Wie ich es Euch gesagt hab': ein Narr. Bei dem hilft guter Bat, wie einem Toten der Schröpfkopf hilft. Alle Tage bete ich für ihn zu Gott: Herr, laß ihn lahm sein, laß ihn krumm sein, aber gib ihm ein wenig Verstand, laß ihn nicht länger einen Narren bleiben.«
»Da kommt der Jude wieder«, sagte der Maler, der am Fenster stand. »Der mit dem Ziegenbart. Er kommt zum drittenmal. Ich wollt', ich könnt' ihm helfen, aber ich kann es nicht.«
Der Jude mit dem Ziegenbart, dem der Maler Brabanzio nicht helfen zu können vermeinte, war der Mordechai Meisl.
Er kam um der Esther, seiner Frau, willen. Drei Jahre waren vergangen seit jener Nacht, in der der Melach Hamowed, der Todesengel, sie hinweggenommen hatte. Aber die Zeit hatte seinen Schmerz nicht gelindert. Er dachte immer an sie. Er wollte ihr Bildnis haben.
Er hatte von Malern gehört, die längst dahingegangene Personen sehr getreu dargestellt hätten: Die Erzväter, Moses mit den Gesetzestafeln in seinen Händen, Susanna, die Frau des Jojakim, auch die römischen Kaiser und die böhmischen Könige der vergangenen Zeiten, und er selbst hatte in einem adeligen Schloß das Bildnis des Knaben Absalon gesehen, der jämmerlich an seinen Haaren hing. Und in seinem Kopf hatte sich der Gedanke festgesetzt, daß der Maler Brabanzio imstande sein müsse, ein Bildnis der Esther, die er sein Täubchen, seine Süße, seine Unschuld nannte, zu malen, wenn er sie ihm nur auf die rechte Art beschriebe, und er traute sich zu, sie ihm mit Worten so vor Augen zu bringen, wie sie in ihrem irdischen Leben gewesen war.
Wohl stand geschrieben: Du sollst dir kein Abbild machen. Aber das Haupt der Verbannung, der hohe Rabbi Loew, der ein Gaon war, ein Fürst unter den Wissenden, hatte ihn belehrt, daß dies keines der sieben Noachidischen Verbote sei, und soferne einer nur die Noachidischen Verbote einhalte, habe er am Gottesreiche teil.
»Leben und Segen vom Ordner der Welt, mit Euch sei Friede«, grüßte er nach der Juden Brauch, als er eintrat, und er erkannte den Kaiser nicht und der Kaiser nicht ihn.
»Herr«, sprach ihn der Maler an, und er sah verwirrt und bekümmert drein wie einer, der sich keinen Rat weiß, »Ihr kommt vergeblich. Was Ihr verlangt, kann keiner zuwege bringen, es ist nicht möglich.«
»Ihr könnt es, wenn Ihr nur wollt«, sagte der Mordechai Meisl. »Es kann so schwer nicht sein. Habt Geduld mit mir, versucht es noch einmal, Ihr sollt für Eure Mühe aufs beste kontentiert werden.«
»Ich weiß«, erwiderte der Maler, »Ihr habt mir acht Gulden verwilligt und
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