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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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der Kammerdiener des Kaisers, der Cervenka, am nächsten Morgen kam, fand er weder das Bild noch den Maler in der Werkstatt. Der Maler Brabanzio war auf dem Wege nach Venedig, wo irgendeine Pestilenz ihn erwartete, an der er starb. Und nur ein einziges Bild ist erhalten geblieben, das das Signum »Brabanzio fecit« trägt. Es hängt in einer kleinen Privatgalerie in Mailand und stellt einen Mann dar, der in einer Hafenkneipe sitzt, vielleicht ihn selbst, und zwei alte häßliche Weiber drängen sich an ihn heran, um ihn zu umarmen, und die eine ist, denk' ich mir, die Pestilenz, und die andere, grau wie ein Leichentuch, ist die Vergessenheit.«
    Der vergessene Alchimist
    In das Herz des Mordechai Meisl, das so lange Zeit nur von Leid und Trauer erfüllt gewesen war, hatte sich, wie die Jahre gingen und kamen, ein neuer Gast eingeschlichen, die Ehrsucht. Geld und Gut und daß sich sein Reichtum von Tag zu Tag mehrte, das galt ihm nichts. Daß er der Erste in der Judenstadt war, das war ihm nicht genug. Er trachtete nach Freiheiten, Rechten und Privilegien, die ihn über seinen Stand erheben sollten, auch wollte er durch einen Majestätsbrief auf allen seinen Wegen gesichert und befördert sein. Und so hatte er sich mit des Kaisers Leibkammerdiener, dem Philipp Lang, zusammengetan, einem Mann, der beim Kaiser alles galt, von dem geringen Volk aber, von Christen wie von Juden, gehaßt und gefürchtet wurde. Denn ihm gab man die Schuld an jedem Übel, das im Königreich zu Tage trat. Er sei in bösen Stükken geübt und in jedem Betrug erfahren, sagten die Leute, und nie zuvor habe an eines Königs Hof ein Rube gelebt, der über den ehrlichen Mann soviel Unheil gebracht habe wie der Philipp Lang. Und nun sah man ihn bisweilen durch die Judengassen gehen und auf dem Dreibrunnenplatz in dem Haus des Mordechai Meisl verschwinden.
    In jenen Tagen war der Römische Kaiser auf seiner Burg zu Prag in äußerster Bedrängnis, denn mehr denn je gebrach es ihm an Geld. Für den kaiserlichen Haushalt konnte das Allernotwendigste nicht beschafft werden, und die Hofkammer, der die Prüfung der eingelaufenen Rechnungen und die Ordnung und Bezahlung der kaiserlichen Schulden oblag, wußte weder aus noch ein. So waren Seiner Majestät vertraute Räte, der Strahlendorf, der Trautson, der Hegelmüller und etliche andere, zusammengetreten, um auf Mittel und Wege zu sinnen, wie dieser Geldnot abgeholfen werden könnte. Es wurden auch etliche Ratschläge auf die Bahn gebracht und, nachdem ihr Für und Wider erwogen worden war, wieder fallen gelassen. Es fehlte auch nicht an schönen Reden und Worten, die aber zu nichts anderem taugten, als heiße Suppen mit ihnen zu blasen. Zu m Schluß waren Seiner Majestät vertraute Räte untereinander einig geworden, daß nichts geschehen sollte, und sie hatten eine Resolution gefaßt, in der sie erklärten, es gäbe in dieser Sache weder Trost noch Mittel, solange Seine Majestät, der Kaiser, darauf beharre, nach seinem eigenen Wohlgefallen und nicht nach dem Rat seiner Diener zu leben, zu handeln und sein Geld auszugeben.
    Wie nun dem Kaiser diese Resolution und Antwort seiner Räte hinterbracht wurde, da begann er zu rasen, zu wüten und zu toben. Mit einem Rapier in der Hand stürzte er durch die Gänge, Kammern und Säle der Prager Burg und schrie, der Hegelmüller solle ihm nicht vor die Augen kommen, er habe sein Leben verwirkt und der Trautson auch, sie stünden beide im Solde seines Bruders, des Matthias, und wollten ihn betrügen, er aber ließe sich nicht betrügen trotz allen Schelmen, Brüdern, Giftmischern und Erzherzogen. Und während er so schrie und tobte, war er in den großen Speisesaal geraten, dort stieß er das Tafelgeschirr vom Tisch und schlug das geschliffene Glas in Scherben.
    Nun wich die Raserei von ihm und eine tiefe Niedergeschlagenheit nahm ihren Platz ein. Er klagte, es gäbe in keinem Land der Christenheit einen Herrscher, der ein so elendes Leben führe wie er. Er sei von Feinden umgeben, habe nur Kummer, Sorgen und Beschwerlichkeiten, keine zeitliche Freude sei ihm vergönnt. Er verzeihe dem Trautson und dem Hegelmüller und sogar seinem Bruder, dem Matthias, der ihm unbrüderlich und unchristlich nach dem Leben trachte. Mit bewegter Stimme bat er Gott um Verzeihung und dann wandte er das Rapier gegen sich, wollt' sich den Hals durchstoßen. Der Philipp Lang, der treppauf, treppab und durch die weitläufigen Gänge, durch die Kammern, Stuben, Galerien und Säle dem

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