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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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Hofbediensteter der übrigen Menscheit schuldig zu sein vermeinte. »Nicht jedem geht es in diesen Zeiten so gut, aber ein Hundsfott, wer es Euch mißgönnt, — wie der Adam Sternberg, Seiner verewigten Majestät Oberststallmeister, immer gesagt hat.«
    Der Votruba, der den Mund voll hatte, gab ihm mit der Hand ein Zeichen, er solle stille sein, sich setzen und dem Kokrda zuhören. Der Kokrda berichtete, daß einer der Verurteilten, der Herr Zaruba auf Zdar, sich geweigert habe, um sein Leben, das ihm geschenkt werden sollte, zu bitten, und daß er dann gleich den anderen den Tod durch Henkershand erlitten habe.
    »Verschluckt Euch nur nicht!« sagte indessen der Brouza zum Votruba. »An einer Blutwurst mit Kraut und Knödeln ist schon manch einer erstickt, ich weiß nicht, ob es ein schöner Tod ist. Wenn Ihr heruntergebracht habt, was Euch in der Kehle steckt, dann sagt mir, wer hierzulande den Regen am frühesten merkt. Das ist eine Frage, die ich dereinst Seiner Majestät, dem verewigten Kaiser vorgelegt habe. Er könnt' es mir nicht sagen, der gute Herr, und so mußte er mir zwei Taler bezahlen. Strengt also Euren Verstand an, vielleicht findet ihr's heraus. Wenn nicht, — Euch mach' ich's billiger, Euch soll es nur eine Kanne Bier kosten. Gilt der Handel?«
    Der Vortruba überlegte, wo bei dieser Sache ein Vorteil für ihn heraussähe. Er fand ihn in dem erhebenden Gedanken, daß ihm und Seiner Majestät die gleiche Frage vorgelegt worden sei. Der Kokrda hatte indessen seinen Bericht beendet. Er verabschiedete sich, indem er etliche Hände schüttelte und bald wiederzukommen versprach, und ging dann, um in einem anderen Wirtshaus eine neue Zuhörerschaft um sich zu versammeln.
    »Nun?« mahnte der Brouza den Votruba. »Gilt der Handel? Ich erwarte Eure Resolution und Antwort, — wie der verewigte Kaiser zu seinem Geheimen Rat, dem Hegelmüller immer gesagt hat.«
    »Hegelmüller? Wer spricht da vom Hegelmüller?« kam vom Nachbartisch eine Stimme. »Bei meiner Seele, es ist der Brouza. Laß dich ansehen, Mensch! Wieviel Jahre ist es her, daß ich dein plattnäsiges Diebsgesicht zuletzt gesehen habe?«
    »Herr!« sagte der Brouza mit Würde zu dem Mann am Nachbartisch. »Wählt Eure Worte mit mehr Vorsicht. Ich kenn' Euch nicht.«
    »Wie?« rief der Mann verwundert und belustigt. »Du kennst den Svatek nicht? Dem du, weiß Gott wie oft, zugesehen hast, wie er Seiner Majestät zur Ader ließ, die Haare kräuselte, den Bart schor? Den Svatek kennst du nicht, du Kohlenstaubschlucker?«
    »Der Svatek! Der Barbier!« sagte der Brouza, und unsägliche Geringschätzung klang in seiner Stimme, denn in seiner Erinnerung hatte er nur mit den Großen der Prager Burg Umgangs gepflogen, mit dem Obersthofmeister etwa, dem Oberstkämmerer, dem Oberstjägermeister und den Geheimen Räten.
    »Der Pfaffe, der geschoren ist, der merkt den Regen als erster«, sagte der Votruba, der bis dahin angestrengt nachgedacht hatte. Aber niemand zollte ihm die erwartete Anerkennung.
    »Den Svatek kennst du nicht, du Kellerassel?« rief der Barbier des verstorbenen Kaisers. »Den Svatek, der dir oft genug den Buckel mit Salbe eingerieben hat, wenn es Seine Majestät, unser allergnädigster Herr, für gut befunden hatte, ihn dir zu zerbleuen.«
    »Seine Majestät, der verewigte Herr Kaiser, hat höchstselbst und eigenhändig ...«, vernahm man die in Devotion ersterbende Stimme des Votruba.
    »Das ist infam gelogen«, protestierte der Brouza in ehrlicher Entrüstung. »Seine Majestät, mein allergnädigster Herr, ist mir jederzeit mit Achtung begegnet, hat mir auch oftmals seine Zuneigung bezeigt und meine Dienste zu schätzen gewußt.«
    »Achtung? Zuneigung? Deine — was? Dienste?« lachte der Barbier. »Da halte mich einer, daß ich nicht hinfalle.«
»Dessen habe ich Zeugnis«, erklärte der Brouza.
»Jawohl. Auf dem Buckel«, meinte der Barbier.
Dem Brouza schien es an der Zeit zu sein, dieser Unterhaltung, die seiner Reputation bei den Kleinseitner Bürgern nicht förderlich sein konnte, ein Ende zu machen und sich um die Kanne Bier zu bekümmern, die er von dem Sattlermeister zu erlangen hoffte.
»Zwei stehen immer zusammen, sind einander aber spinnefeind«, wandte er sich, als wäre der Barbier nicht mehr vorhanden, an den Votruba. »Wer sind die beiden? Könnt Ihr mir's sagen?«
»Der Stock und dein Buckel, das ist doch klar«, gab ihm, ehe noch der Votruba den Mund aufmachen konnte, der Barbier zur Antwort, der genau wußte, was

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