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Nachts unter der steinernen Bruecke

Nachts unter der steinernen Bruecke

Titel: Nachts unter der steinernen Bruecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Perutz
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bestreut, denn der Geruch dieser Kräuter nimmt den Kopf ein und zieht den Schlaf herbei. Auch hatte ich ein mit Katzenblut getränktes Tüchlein um Seiner Majestät Stirne geschlagen, denn auch das befördert den Schlaf, und man soll doch dem Kranken auf jede Art zu Hilfe kommen. Da, als Seiner Majestät Atem schon ruhiger ging und auch kein Ächzen und Keuchen mehr zu vernehmen war, da kam der Doktor Jessenius ...«
»Ja«, unterbrach ihn der Cervenka, »so war es, und er riß beide Fenster auf und schrie, Luft müsse herein und das Unkraut müsse hinweg. Als ich Einwendungen erheben wollte, herrschte er mich an, ich solle schweigen, er wisse, auch ohne daß ich es ihm sage, worüber Seine Majestät klage: über Durst, Hitze, Kopf- und Gliederschmerzen, über Zittern, Beängstigung, Müdigkeit und Schwäche. Und damit trat er an das Krankenbett, griff nach Seiner Majestät Puls und hieß dann Seine Majestät, sich erheben, aber Seine Majestät vermochte es nicht mehr. Da unterstand er sich ...«
Er hielt inne und schüttelte den Kopf, als könne er noch immer nicht fassen, was damals geschehen war.
»Da unterstand sich der Jessenius«, fuhr er dann fort, »meinen allergnädigsten Herrn an der Schulter und am Kopf zu fassen und ihn mit Gewalt emporzuziehen. Und mein allergnädigster Herr sah ihn an und seufzte und sah ihn wiederum an und sagte: >Helf Euch Gott, Ihr habt Hand an mich gelegt. Ich wollt', Ihr hättet es nicht getan, nun ist es aber geschehen, und so wird dereinst der Henker Hand ein Euch legen, er wird Euren Kopf hoch über dem seinen halten, und du, Rotkopf, wirst es mitansehen<. — Mein allergnädigster Herr nämlich nannte mich noch immer >Rotkopf<, wenngleich meine Haare damals schon die Kirchhofsfarbe hatten.«
Und er strich sich über sein schütteres weißes Haar.
Etliche von den Gästen hatten, um zuzuhören, ihre Stühle näher an den Tisch gerückt, und einer von ihnen machte sich zum Wortführer der anderen, erhob sich ein wenig, lüftete seinen Hut und fragte:
»Wenn es verstattet ist, — wie hat der Herr Jessenius die Worte Seiner Majestät aufgenommen?«
Der alte Kammerdiener warf einen prüfenden Blick auf ihn, und dann würdigte er ihn der Ehre einer Antwort.
»Er hat kurz aufgelacht, aber es war ihm anzumerken, daß ihm nicht wohl zumute war. Er sagte, das Fieber habe die Lebensgeister Seiner Majestät aus der Ordnung gebracht. Und daß die Natur dieses Fiebers dunkel und verborgen sei, man müsse ihn gewähren lassen und allen Fleiß aufwenden, es zu erforschen. Dann, als er das gesagt hatte, ging er, und heute auf dem Altstädter Ringplatz habe ich ihn nach dem Willen Gottes wiedergesehen.«
Er schlug ein Kreuz, nahm einen Schluck Bier und legte Käsescheiben und kleine Stückchen Rettich auf seine Brotschnitte.
»Das ist eine gute Geschichte. Bei Gott und den lieben Heiligen, eine Geschichte wie diese hört man nicht alle Tage«, sagte der Brouza, dem in Erinnerung an seinen verstorbenen Herren die Tränen über die Backen liefen, zu sich selbst, und es verdroß ihn nur, daß die Leute im »Hecht« die Geschichte mitangehört hatten, ohne daß es ihm eine Mahlzeit eintrug. Er verspürte Hunger, doch keiner von den Gästen dachte heute daran, ihm einen Happen von irgend etwas auftischen zu lassen, und von dem Cervenka war auch nichts zu erhoffen, denn der war sein Leben lang ein Knauser und Pfennigfuchser gewesen, und man konnte schon an dem Rettich und dem Käse sehen, daß er sich selbst keinen Bissen von etwas Gutem vergönnte.
»Seid ihr nicht der Schlossermeister, der hinter dem Loretokirchlein seine Werkstatt hat?« sprach der Lautenspieler Kasparek den Mann an, der mit einem »Wenn es verstattet ist« an den Tisch gekommen war.
»Ja, der bin ich. Georg Jarosch, kaiserlicher Hofschlosser, Euch zu dienen, Herr! Und auch ich bin hinter dem Sarg des Kaisers gegangen mit den Glasbläsern, den Bildschnitzern, den Steinschneidern, den Medailleuren, den Wachsbossierern und all den anderen, denen ihre Kunst Ehre und Lob von Seiner Majestät, aber nur geringes Geld eingebracht hat!«
»So seid Ihr also«, sagte der Lautenspieler in respektvollern Ton, »der Mann, der das schöne und kunstreiche Gitter im St. Veitsdom angefertigt hat, das das steinerne Bildnis des Georgs von Podiebrad umschließt«.
»Einen solchen brauchten wir wieder«, rief einer von den Leuten am Nachbartisch. »Einen böhmischen König wie den Georg von Podiebrad sollten wir haben, dann würden bessere Zeiten für

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