Nachts wenn der Teufel kam
auf, Bruno!« sagt sie.
»Wat willste denn?«
»Wo warst du denn wieder?«
»Weeß ick nich. Bin halt wo jewesen.«
»Musst du dich denn immer herumtreiben?«
»Wat soll ick denn zu Hause machen?«
»Die Polizei war da. Wenn du künftig nicht regelmäßig arbeitest, kommst du ins Lager, haben die Beamten gesagt.«
»Die sollen mit den Buckel runterrutschen.«
»Du wirst schon sehen, wo das noch endet, Bruno. Sei doch vernünftig! Die anderen Männer in deinem Alter sind Soldaten!«
»Von mir aus«, knurrt Bruno.
Erst jetzt macht Frau Lüdke Licht.
»Um Gottes willen! Was ist denn los, du hast ja Kratzer im Gesicht! Hast du dir weh getan?«
»Ick bin ausjerutscht und hinjefallen. In dem blöden Nebel sieht man ja nischt.«
»Soll ich dir Jod in das Gesicht tun?«
»Ne, det Zeug brennt so.«
»Bruno, versprichst du mir, daß du jetzt immer zu Hause bleibst?« fleht die Frau zum hundertsten Male. Sie stellt immer wieder dieselbe Frage, obwohl sie weiß, daß sie immer dieselbe Antwort bekommen wird.
»Weeß ick nich. Vielleicht. Aber det kann euch doch ejal sein, wo ick nachts bin.«
»Bruno, denk an deine beiden Schwestern. Die sind so anständig. Willst du uns Schande machen? Ich verstehe dich nicht! Du bringst uns noch in das Grab!«
»Lass mich schlafen, Mutter. Ick bin so müde.«
Wie immer geht Frau Emma Lüdke aus dem Zimmer: unruhig und voller Besorgnis. Sie ahnt, daß es mit ihrem Sohn eines Tages ein schlimmes Ende nehmen wird. Aber wie das Ende sein wird, das ahnt sie nicht.
Das lähmende Entsetzen hat Fritz Mundt entschlossen abgeschüttelt. Er weiß, daß er unschuldig ist. Er weiß, daß es um seinen Kopf geht. Er weiß, daß eines Tages die Haft zu Ende sein muß. Er hat einen Anwalt. Der hat ihm gesagt, daß die Verdachtsmomente nicht ausreichen, ihn länger in Haft zu behalten. In den nächsten Tagen muß er entlassen werden.
In Königswusterhausen kann er nicht bleiben. Für Königswusterhausen wird er so lange der Mörder seiner Frau sein, bis der richtige Mörder gefaßt ist. Vielleicht gelingt das der Polizei eines Tages. Dann könnte er zurückkehren.
Und wieder wird er zur Vernehmung geholt. Er sieht jetzt besser aus. Er kämpft um seinen Kopf; er ist viel energischer, zielstrebiger, gefasster geworden. Vielleicht ist das die letzte Vernehmung, denkt er, als er über den langen grauen Gang geführt wird.
»Setzen Sie sich«, sagt Inspektor Schmiedel. »Sie sehen ja jeden Tag besser aus. Gefällt Ihnen wohl gut in der Zelle?«
»Ich würde gern mit Ihnen tauschen«, antwortet der Untersuchungsgefangene.
»Das kann ich mir vorstellen. Gut gelaunt heute, nicht wahr?« fährt der Beamte fort. »Wie wäre es mit einem Geständnis?«
»Wie oft soll ich Ihnen noch sagen, daß ich nichts zu gestehen habe?«
»Ihre Nerven muß man bewundern«, entgegnet Schmiedel. Er kramt in den Akten. »Hören Sie gut zu, was ich Ihnen jetzt sage: Für mich sind Sie ein Mörder. Es wäre nur recht und billig, wenn man Ihnen das gleiche zufügt, was Sie Ihrer Frau zugefügt haben.«
»Ich habe meiner Frau nichts getan.«
»Sie haben nur eine sehr winzige Chance: ein Geständnis. Überlegen Sie es sich, bevor es zu spät ist.«
»Ich habe nichts zu gestehen.«
»So«, sagt der Inspektor. Wieder blättert er in den Akten. Er zieht eine Urkunde hervor. »Ich habe hier etwas Interessantes für Sie mitgebracht.«
Er macht eine Kunstpause, sieht ein paar Sekunden lang den ihm gegenüberstehenden Mann starr an und sagt dann scharf: »Ihr Todesurteil.«
»Lassen Sie mich in Ruhe! Ich bin unschuldig!«
Fritz Mundt ist aufgesprungen. Einen Augenblick lang ballt er die Hände, als ob er auf den Kriminalinspektor einschlagen will.
»Vierzehn Tage vor der Ermordung Ihrer Frau haben Sie für sie eine Lebensversicherung abgeschlossen, obwohl Ihre Frau jung und gesund war. 50.000 Mark. Eine Summe, die für Ihre Verhältnisse unvorstellbar hoch ist. Warum haben Sie die Versicherung abgeschlossen?«
Der Inspektor steht auf. Seine Stimme wird jetzt noch kälter, schneidender.
»Ich will es Ihnen sagen: weil Sie den Mord geplant hatten. Weil Sie sich seit Monaten schon mit diesem Gedanken trugen. Weil Sie in den Besitz der Versicherungssumme kommen wollten und weil Sie Ihre Frau los sein wollten. Deshalb haben Sie sie weggeschickt. Als sie wegfuhr, wussten Sie schon, daß Sie sie ermorden würden. Sie haben ihr aufgelauert. Sie haben sie in den Wald gezerrt. Sie sind nicht einmal davor zurückgeschreckt,
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