Nachts wenn der Teufel kam
rufen. Vielleicht gehen gerade Leute am Haus vorbei und hören sie.
Aber unfähig, sich zu rühren, liegt sie da und wartet auf das Ungeheuerliche, auf das Entsetzliche. Wartet auf ihren Mörder, der sich Zeit läßt.
Denn er hat mittlerweile eine Flasche Schnaps gefunden und setzt sie an den Mund. Er nimmt einen kräftigen Schluck und stellt sie wieder weg.
Plötzlich ist ihm die Frau eingefallen. Und er macht sich auf den Weg, sie zu suchen.
Frau Umann wird aller Wahrscheinlichkeit nach gehört haben, wie er in die Küche geht, wie er Licht einschaltet, wie er über den Gang kommt, wie er die Wohnzimmertür aufstößt. Ein paar Sekunden noch, dann muß er im Schlafzimmer sein.
Er ist da. Und er stürzt sich wie ein Tier auf sie. Was er mit der wehrlosen Frau anstellt, ist unbeschreiblich.
Der Mörder geht zurück, wäscht sich in der Küche das Blut aus dem Gesicht. Dann bricht er den Keller auf, holt Konserven, Wein, Schnaps und trägt alles in die Schankstube, greift wieder nach der halbleeren Buddel, stopft sich die Taschen mit Zigaretten voll. Vierzig Flaschen Wein stehen vor ihm. Er kann sie nicht davonschleppen. Er will sie nicht stehen lassen. Sein blinder Zerstörungstrieb tobt sich aus. Mit dem Daumen drückt er sämtliche Korken in die Flaschen. Solche Bärenkräfte hat er.
Dann verlässt er das Haus.
Fünf Minuten nach halb sieben Uhr bringt Frau Käthe Birner wie jeden Morgen die Zeitung. Wenn sie auf das Haus zugeht, bellt gewöhnlich der Hund.
Aber heute bellt der Hund nicht.
Frau Birner, die fünzigjährige Zeitungsträgerin, wundert sich, aber sie macht sich keine weiteren Gedanken. Sie steckt die Zeitung in den Briefkasten der ›Waldschänke‹. Im gleichen Augenblick stutzt sie. Plötzlich wird ihr die Stille unheimlich. Hier stimmt etwas nicht, sagt sie sich.
»Herr Umann«, ruft sie. »Herr Umann! Schlafen Sie noch?«
Noch immer rührt sich nichts.
Sie geht um das Haus herum und sieht das eingeschlagene Küchenfenster. Jetzt läßt sie ihre Zeitungen stehen, schwingt sich auf ihr Fahrrad und fährt zur Wache.
»Mal langsam, junge Frau«, sagt ein Wachtmeister. »Warum denn so aufgeregt? Vielleicht ist das Fenster kaputtgegangen, oder ein Betrunkener hat es heute nacht eingeschmissen. Wir sehen gleich nach.«
Eine Stunde später ist die Mordkommission zur Stelle. Die weltbekannte Berliner Mordkommission, vier Spezialisten und ein Staatsanwalt, die sich längst abgewöhnt haben, sich zu wundern oder sich zu entsetzen. Ruhig blicken sie auf die Opfer des Mörders, als seien diese nicht Menschen, die gestern noch lebten und arbeiteten, sondern Studienobjekte. Mit sachlichem Gleichmut treiben sie ihre Ermittlungen voran.
Fußspuren werden gesichert. Seltsam, daß sich keine Fingerabdrücke feststellen lassen. Aber vielleicht gelingt das später bei einer gründlicheren Durchsuchung des Tatorts. Unter dem Küchenherd holen die Beamten die Mordwaffe hervor, einen Birkenknüppel.
Ein fast klarer Fall, den die Mordkommission da rekonstruiert. Der Mörder kam durch das Küchenfenster, tötete nacheinander den Hund, den Mann, die Frau. Kann das aber ein Mann fast gleichzeitig tun? Handelt es sich nicht um mehrere Täter?
Die Meinungen der Mordkommission sind geteilt. Zwischen den einzelnen Stationen des Doppelmords müssen immerhin Minuten verstrichen sein – Minuten, in denen das nachfolgende Opfer um Hilfe hätte schreien können.
Es muß Raubmord gewesen sein. Aber worauf hatten es der Täter oder die Täter abgesehen? Was fehlt? Soweit es sich vorerst feststellen läßt: nichts. Gar nichts. Vielleicht zwei, drei Flaschen Schnaps. Vielleicht ein Päckchen Zigaretten. Aber wegen einer solchen Lappalie bringt man nicht zwei Menschen um.
Was ist mit dem Wein geschehen? Warum wurden die Korken in die Flaschen gedrückt? Die Beamten rätseln herum.
»Es gibt nur eine Erklärung«, meint Kriminalkommissar Hardings, »entweder war der Täter verrückt, oder wir sind es. Eines von beiden.«
Der Beamte sagt das nur so vor sich hin. Er ahnt nicht, wie nahe er damit der Wahrheit kommt.
Die Vernehmungen reißen nicht ab. Natürlich denkt die Polizei auch daran, daß das Motiv Rache gewesen sein könnte. Instruktionsgemäß hat die Polizei an alles zu denken. Aber wer sollte einen so ungeheuerlichen, unbegreiflichen Hass auf die gemütlichen Wirtsleute gehabt haben?
Eine Aussage, die einzige, die zur Klärung dieses Falles führen könnte, wird von der Mordkommission ohne weitere
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