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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Meins. Das war der Makel, und wie beim Mann im Mond konnte man ihn nicht mehr wegdenken, nachdem man ihn einmal gesehen hatte; jetzt stellte er fest, daß man auch Gefühle nicht mehr ungefühlt machen konnte, wenn man sie einmal empfunden hatte und wenn es um diese Bilder ging, waren es ausschließlich böse Gefühle.
    Kevin dachte: es ist, als würde ein Wind — sehr sanft, sehr kalt — aus diesem Bild wehen.
    Zum erstenmal faszinierte ihn nicht nur die Vorstellung, es könnte sich um etwas Übernatürliches handeln um den Teil einer Manifestation. Zum erstenmal wünschte er sich, er hätte die Sache einfach auf sich beruhen lassen. Meins das hatte er gedacht, als er zum erstenmal mit dem Finger auf den Auslöser gedrückt hatte.
    Jetzt fragte er sich, ob es vielleicht nicht genau umgekehrt war.
    Ich habe Angst davor. Vor dem, was sie macht.
    Das machte ihn wütend, und er bückte sich über Pop Merrills Schulter, suchte so verbissen wie ein Mann, der einen Diamanten in einem Sandhaufen verloren hat, und war fest entschlossen, was er auch sehen mochte (immer vorausgesetzt, er sah tatsächlich etwas Neues, was er nicht glaubte; er hatte sämtliche Fotos inzwi schen so gründlich studiert, daß er überzeugt war, alles gesehen zu haben, was es zu sehen gab), er würde es ansehen, würde es studieren und unter keinen Umständen dulden, daß er es übersah. Selbst wenn er es konnte aber eine nachdrückliche Stimme in seinem Kopf sagte überdeutlich, daß der Zeitpunkt, wo er ungesehen machen konnte, was er gesehen hatte, endgültig vorüber war, möglicherweise für immer.
    Das Bild zeigte einen großen schwarzen Hund vor einem weißen Lattenzaun. Der Lattenzaun würde nicht mehr lange weiß sein, wenn ihn nicht jemand in jener zweidimensionalen Polaroidwelt strich. Was unwahrscheinlich schien; der Zaun sah ungepflegt, vergessen aus. Die Spitzen einiger Latten waren abgebrochen.
    Manche hingen lose nach außen.
    Der Hund war auf einem Gehweg vor dem Zaun. Seine Hinterfüße zeigten Richtung Bildsucher. Der lange, buschige Schwanz hing herunter. Der Hund schien an einer Zaunlatte zu schnuppern
    wahrscheinlich, dachte Kevin, weil der Zaun ein, wie sein Dad sich ausdrückte, >Umschlag f ür Nachrichten< war, eine Stelle, wo viele Hunde das Hinterbein hoben und Nachrichten in Form mystischer gelber Spritzer hinterließen, ehe sie weitergingen.
    Kevin fand, daß der Hund wie eine Promenadenmischung aussah. Sein Fell war lang und verfilzt und voller Kletten. Ein Ohr hatte eine runzlige alte Kampfesnarbe. Sein Schatten war so lang, daß er außerhalb des Bildrands bis auf den unkrautüberwucherten, fleckigen Rasen hinter dem Lattenzaun verlief. Der Schatten verriet Kevin, daß das Bild kurz nach Sonnenaufgang oder kurz vor Sonnenuntergang aufgenommen worden sein mußte.
    Und das war alles.
    »Erkennst du etwas?« fragte Pop und ließ das Vergrößerungsglas langsam über der Oberfläche des Fotos kreisen. Jetzt schwollen die Hinterbeine des Hundes zur Größe von kleinen Hügeln mit wildem und geheimnisvoll exotischem schwarzen Gestrüpp an; dann wurden zwei oder drei Zaunlatten so groß wie Telefonmasten; jetzt wurde der Gegenstand hinter einem Grasbüschel eindeutig zu einem Kinderball (der unter Pops Lupe wie ein ausgewachsener Fußball aussah. Kevin konnte sogar die Sterne erkennen, die auf einem gestanzten Gummistreifen um die Mitte herum verliefen.
    Also hatte Pops Lupe doch etwas Neues offenbart, und in wenigen Augenblicken sollte Kevin ohne ihre Hilfe noch etwas sehen. Aber das kam später.
    »Herrje, nein«, sagte Kevin. »Wie sollte ich, Mr. Merrill?«
    »Weil es etwas zu sehen gibt«, sagte Pop geduldig. Seine Lupe kreiste weiter. Kevin mußte an einen Film denken, den er einmal gesehen hatte, wo die Bullen e inen Helikopter mit Suchscheinwerfer ausschickten, um nach entflohenen Häftlingen zu suchen. »Ein Hund, ein Gehweg, ein Lattenzaun, der etwas Farbe und eine Reparatur vertragen könnte, ein Rasen, der gemäht werden müßte. Der Gehweg bringt nicht viel man kann ihn nicht einmal ganz sehen , und vom Haus ist nicht mal das Fundament auf dem Bild; aber da ist dieser Hund. Kennst du den!«
    »Nein.«
    »Den Zaun?«
    »Nein.«
    »Was ist mit diesem roten Gummiball? Wie sieht’s damit aus, mein Junge?«
    »Nein aber Sie sehen aus, als müßte ich ihn kennen.«
    »Ich sehe aus, als denke ich, du könntest ihn kennen«, sagte Pop.
    »Hast du nie so einen Ball gehabt, als du noch ein Hosenscheißer

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