Nachts
Pferdeschwanz gebunden; er sah in seiner ordentlich gebügelten Uniform jung und heldenhaft aus. Aber es war nicht immer alles so, wie es aussah, das wußte selbst Kevin mit seinen fünfzehn Jahren. Sheriff Pangborn hatte seine Frau und seinen jüngsten Sohn dieses Frühjahr bei einem Autounfall verloren, und Kevin hatte gehört, daß Ms. Chalmers, jung oder nicht, schlimme Arthritis hatte und in wenigen Jahren zum Krüppel werden konnte. Dieser Gedanke veranlaßte ihn, wieder zum Emporium Galorium zu sehen und dann auf sein Geburtstagsgeschenk, die Kamera, die er in der Hand hielt.
»Er hat mir sogar einen Gefallen getan«, sagte Mr. Delevan. »Seinetwegen habe ich mit dem Rauchen aufgehört. Aber ich traue ihm nicht. Sei vorsichtig in seiner Nähe, Kevin. Und was auch passiert, laß mich reden. Ich kenne ihn inzwischen vielleicht ein bißchen besser.«
So betraten sie die staubige, tickende Stille, wo Pop Merrill sie unter der Tür erwartete; er hatte die Brille auf die kahle Kuppel seines Kopfes geschoben und immer noch den einen oder anderen Trick im Ärmel.
Kapitel Sechs
»Aha, da sind ja Vater und Sohn«, sagte Pop und schenkte ihnen ein bewunderndes Großvaterlächeln. Seine Augen funkelten hinter einem Vorhang aus Pfeifenrauch, und einen Augenblick fand Kevin, daß Pop, obwohl glattrasiert, wie der Weihnachtsmann aussah.
»Sie haben einen prima Jungen, Mr. Delevan. Prima.«
»Ich weiß«, sagte Mr. Delevan. »Ich war entsetzt, als ich hörte, daß er mit Ihnen zu tun hat weil ich möchte, daß er auch so bleibt.«
»Das tut weh«, sagte Pop mit dem leisesten Anflug von Zurechtweisung. »Das tut weh von einem Mann, der, als er nirgends sonst hinkonnte «
»Das war einmal«, sagte Mr. Delevan.
»Jaha, jaha, das wollte ich damit sagen.«
»Aber dies hier nicht.«
»Auch das geht vorbei«, sagte Pop. Er steckte Kevin eine Hand entgegen, und Kevin gab ihm die Kamera. »Nämlich heute.« Er hielt die Kamera hoch und drehte sie in den Händen. »Dies ist ein funktionierendes Gerät. Wie es funktioniert, das weiß ich nicht genau, aber Ihr Junge will es vernichten, weil er es für gefährlich hält. Ich glaube, er hat recht. Aber ich hab zu ihm gesagt: >Du willst doch nicht, daß dein Vater dich für eine Memme hält, oder?< Nur aus diesem Grund habe ich Sie hierherbestellt, John «
>»Mr. Delevam hat mir besser gefallen.«
»Na gut«, sagte Pop und seufzte. »Wie ich sehe, haben Sie nicht vor, freundlich zu sein und Vergangenes vergessen sein zu lassen.«
»Nein.«
Kevin sah mit gequältem Gesichtsausdruck von einem zum anderen.
»Spielt keine Rolle«, sagte Pop; seine Stimme und sein Gesicht wurden unvermittelt kalt, und nun sah er ganz und gar nicht mehr wie der Weihnachtsmann aus. »Als ich gesagt habe, Vergangenheit ist Vergangenheit, und was geschehen ist, ist nun mal geschehen, war das mein Ernst außer es wirkt sich auf das aus, was die Leute im Hier und Jetzt machen. Ich will nur eines sagen, Mr. Delevan: Ich mache keine unlauteren Geschäfte, das wissen Sie.«
Pop sprach diese bodenlose Lüge mit einer nüchternen Kälte aus, daß sie sie beide glaubten; Mr. Delevan schämte sich sogar ein klein wenig, so unglaublich sich das anhören mag.
»Unser Geschäft war eine gegenseitige Abmachung. Sie haben mir gesagt, was Sie wollten, und ich habe Ihnen gesagt, was ich als Gegenleistung wollte, Sie haben es mir gegeben, und die Sache war aus der Welt. Dies ist etwas anderes.« Und dann erzählte Pop noch eine größere Lüge; eine Lüge von so überwältigenden Dimensionen, daß man sie einfach glauben mußte. »Ich habe kein persönliches Interesse daran, Mr. Delevan. Ich will nur Ihrem Jungen helfen. Ich mag ihn.«
Er lächelte, und der Weihnachtsmann war schnell und überzeugend wieder da; Kevin vergaß völlig, daß er je weg gewesen war.
Aber mehr noch: John Delevan, der monatelang bis zum Rand der Erschöpfung wenn nicht gar des Todes im Walzwerk geschuftet hatte, um den exorbitanten Preis zu bezahlen, den dieser Mann für einen Augenblick der Unvernunft verlangt hatte John Delevan vergaß diesen anderen Ausdruck auch.
Pop führte sie durch den Geruch alter Zeitungen und das Ticktack der Uhren und legte die Sun 660 beiläufig ein wenig zu dicht am Rand der Werkbank ab (genau wie Kevin bei sich zu Hause, nachdem er sein erstes Bild gemacht hatte), dann ging er einfach weiter zur Treppe im hinteren Bereich, die zu seiner kleinen Wohnung hinaufführte. Da hinten stand ein staubiger alter
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