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Nachts

Nachts

Titel: Nachts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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ein Kunde hier sein, vorzugsweise Sheriff Pangborn, aber da der anderweitig beschäftigt schien, hätte es auch jeder andere getan. Sie ging davon aus, daß Mr. Constantine, der Apotheker, irgendwo im Laden war, aber der Arzneimitteltresen schien gut eine Viertelmeile entfernt zu sein, und sie wußte zwar, so weit konnte es nicht sein, eigentlich nicht, aber es war doch zu weit, als daß er schnell hier sein konnte, falls es dem alten Merrill doch einfiel, sie anzufassen. Und angenommen, Mr. Constantine war mit Mr. Keeton vom Stadtrat zu Nan’s Kaffeetrinken gegangen? Je mehr sie über diese Möglichkeit nachdachte, desto wahrscheinlicher schien sie ihr. Wenn etwas so eindeutig Unheimliches wie das hier passierte, stand dann nicht meist schon von vorneherein fest, daß es nur passierte, wenn man allein war?
    Er hat eine Art Nervenzusammenbruch.
    Sie hörte sich voll gläserner Fröhlichkeit sagen: »Da haben wir sie, Mr. Merrill.« Sie legte die Filme auf den Tresen und wuselte sofort nach links hinter die Registrierkasse, die sie zwischen ihn und sich bringen wollte.
    Die uralte Lederbörse kam aus Pop Merrills Hose heraus, und ihre bebenden Finger tippten den falschen Betrag ein, so daß sie stornieren und noch einmal anfangen mußte.
    Er hielt ihr zwei Zehndollarscheine hin.
    Sie sagte sich, daß sie nur Zerknittertwaren, weil sie mit den anderen Banknoten in die Börse geknüllt wurden, wahrscheinlich nicht einmal alt, obwohl sie alt aussahen. Aber das brachte ihren galoppierenden Verstand nicht zum Stillstand. Sie bestand in Gedanken darauf, daß die Scheine nicht nur zerknittert, sondern zerknittert und schleimig waren. Des weiteren bestand sie darauf, daß alt nicht das richtige Wort war; alt war überhaupt nicht zutreffend. Bei diesen speziellen Banknoten würde nicht einmal das Wort uraltausreichen. Das waren prähistorische Zehner, die irgendwie gedruckt worden waren, ehe Jesus Christus zur Welt kam und Stonehenge errichtet wurde, ehe der erste hals und stirnlose Neandertaler aus seiner Höhle gekrochen war. Sie gehörten einer Zeit an, als selbst Gott noch ein Baby gewesen war.
    Sie wollte sie nicht anfassen.
    Sie mußte sie anfassen.
    Der Mann wollte bestimmt sein Wechselgeld.
    Sie wappnete sich, nahm die Geldscheine und steckte sie, so schnell sie konnte, in die Kasse, wobei sie sich einen Finger so sehr anschlug, daß sie den größten Teil des Nagels abriß, ein normalerweise starker Schmerz, den sie in ihrem extremen Unbehagen erst viel später bemerken sollte das heißt, als sie ihren Verstand wieder so weit unter Kontrolle hatte, um sich selbst dafür schimpfen zu können, daß sie sich wie ein zimperliches kleines Mädchen kurz vor seiner ersten Menstruation benommen hatte.
    In diesem Augenblick konzentrierte sie sich jedoch nur darauf, die Scheine in die Registrierkasse und aus den Händen zu bekommen, aber viel später sollte sie sich noch erinnern, wie sich diese Zehner angefühlt hatten. Es war, als hätten sie wirklich und wahrhaftig unter ihren Fingerkuppen gekribbelt; als wären Millionen Erreger, riesige Erreger, die man fast mit bloßem Auge erkennen konnte, auf sie zugekrochen, um sie mit dem anzustecken, was er hatte.
    Aber der Mann wollte trotzdem sicher sein Wechselgeld.
    Sie konzentrierte sich darauf und kniff die Lippen so fest zusammen, daß sie weiß wie bei einer Toten waren; vier Einser, die absolut nicht unter der Klammer hervorkommen wollten, welche sie in der Registrierkasse festhielt. Dann ein Zehncentstück, aber heiliger Himmel, sie hatte kein Zehncentstück, und was war eigentlich mit ihr los, was hatte sie getan, daß sie sich so lange mit dem alten Mann herumärgern mußte, und obendrein am einzigen Morgen seit Beginn der Geschichtsschreibung, an dem er tatsächlich so schnell wie möglich wieder hinauswollte?
    Sie fischte einen Fünfer heraus und spürte seine stumme, stinkende Gestalt so dicht bei sich (und sie spürte, wenn sie schließlich wieder aufsehen mußte, würde er noch näher sein, er würde sich über den Tresen zu ihr beugen); dann drei Pennies, vier, fünf
    aber der letzte fiel in die Kasse zurück, zwischen die Vierteldollarmünzen und sie mußte ihn mit ihren kalten, tauben Fingern herausfischen. Er wäre ihr fast wieder davongerutscht; sie spürte, wie ihr der Schweiß im Nacken und auf dem schmalen Streifen zwischen Nase und Oberlippe ausbrach. Dann hielt sie die Münzen fest mit der Faust umklammert und betete, daß er die Hand nicht ausstreckte, um

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