Nachtschicht
Abständen von zwei Monaten überprüfen, vielleicht aber auch in Abständen von zwei Tagen«, hatte Donatti erläutert. »Intervalle und Dauer der Stichproben sind beliebig. Das Effektive an diesem System ist, daß Sie es nicht wissen. Wenn Sie mal rauchen, riskieren Sie viel.
Sie wissen ja nicht, werde ich jetzt beobachtet, oder sieht es keiner? Holen sie meine Frau ab, oder ist schon jemand zu meinem Sohn unterwegs? Das ist doch herrlich, nicht? Und sollten Sie sich mal heimlich eine Zigarette anzünden, wird sie Ihnen nicht schmecken. Sie werden sich einbilden, Sie kosteten das Blut Ihres Sohnes.«
Aber wie sollten sie ihn jetzt, mitten in der Nacht, in seinem Arbeitszimmer beobachten? Im Haus herrschte eine Stille wie in einer Gruft.
Beinahe zwei Minuten lang schaute er die Schachtel Zigaretten an, unfähig, den Blick abzuwenden. Dann ging er zur Tür, spähte hinaus in den leeren Flur, um danach die Betrachtung der Zigarettenpackung wiederaufzunehmen. In ihm entstand eine schreckliche Vision: Er sah sein Leben vor sich, und für ihn gab es keine Zigaretten mehr. Wie in Gottes Namen sollte er eine zähe Verhandlung mit einem schwierigen Kunden durchstehen, ohne daß er lässig eine Zigarette in der Hand hielt? Er wußte nicht, wie er Cindys endlose Gartenschauen ohne Zigaretten überleben sollte. Wie schaffte er es, einen neuen Tag zu beginnen, ohne seine morgendliche Zigarette zu rauchen, die ihm so selbstverständlich geworden war wie die Tasse Kaffee und das Zeitunglesen?
Er verwünschte sich, weil er sich in diese Situation hineinge-ritten hatte. Er verwünschte Donatti. Und in erster Linie verwünschte er Jimmy McCann. Wie hatte er ihm das antun können? Der verdammte Hund wußte doch Bescheid. Seine Hände zitterten vor Begehren, diesem Judas Jimmy McCann an die Gurgel zu kommen.
Verstohlen sah er sich noch einmal im Arbeitszimmer um. Er griff in die Schublade und holte eine Zigarette heraus. Andächtig streichelte er sie. Wie hieß doch gleich dieser alte Werbe-slogan: so rund, so fest, so kompakt. Etwas Wahreres gab es gar nicht. Er steckte sich die Zigarette in den Mund, dann verharrte er lauschend, den Kopf gesenkt.
Kam vom Schrank her nicht ein leises Geräusch? Ein kaum wahrnehmbares Scharren? Er täuschte sich bestimmt.
Trotzdem -
Wieder hatte er eine Vision - er sah das Kaninchen, wie es wie wahnsinnig auf dem unter Strom stehenden Boden herum-sprang. Die Vorstellung, daß Cindy in diesem RaumEr horchte angestrengt, vernahm jedoch nichts. Er sagte sich, er brauche lediglich zum Schrank zu gehen und die Tür aufzu-reißen. Doch er fürchtete das, was er dort vielleicht entdecken würde. Er legte sich wieder ins Bett, fand jedoch lange keinen Schlaf.
Obwohl er sich am nächsten Morgen elend fühlte, schmeckte ihm das Frühstück. Nach kurzem Zögern aß er nach seiner üblichen Schale Cornflakes noch Rührei. Verdrossen spülte er gerade die Pfanne ab, als Cindy im Morgenrock herunterkam.
»Richard Morrison! Seit Anno Tobak hast du zum Frühstück kein Ei mehr gegessen.«
Morrison gab einen grunzenden Laut von sich. Er fand, seit Anno Tobak sei eine von Cindys albernsten Redewendungen, genauso schlimm wie ihr Ausspruch ich bin so glücklich, ich könnte die ganze Welt küssen.
»Hast du in der Zwischenzeit schon wieder geraucht?« fragte sie, während sie sich ein Glas Orangensaft einschenkte.
»Nein.«
»Spätestens bis heute mittag um zwölf bist du wieder rückfällig geworden«, prophezeite sie leichthin.
»Du bist mir ja eine verdammt gute Hilfe«, schnauzte er sie an. »Du und alle anderen Leute, die nicht rauchen, ihr glaubt ja … ach, schon gut.«
Er dachte, sie würde sich ärgern, doch sie sah ihn nur verwundert an. »Dir ist es ja wirklich ernst mit deinem Vorsatz.«
»Das kann man wohl sagen.« Hoffentlich erfährst du nie, wie ernst es mir ist, dachte er.
»Mein armer Schatz.« Sie kam zu ihm. »Du siehst aus wie eine aufgewärmte Leiche. Aber ich bin sehr stolz auf dich.«
Morrison riß sie in seine Arme.
Szenen aus dem Leben Richard Monisons im Zeitraum Oktober - November:
Morrison und ein alter Freund vom Studio Larkin in Jack Dempseys Bar. Freund bietet ihm eine Zigarette an. Morrison verkrampft die Hand, die das Glas hält, und sagt: Ich will mir dos Rauchen abgewöhnen. Freund lacht und behauptet: Ich gebe dir eine Woche.
Morrison wartet morgens auf den Zug. Über den Rand seiner Times hinweg beobachtet er einen jungen Mann in einem blauen Anzug. Den jungen
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