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Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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unter der Tür durchgeschoben wurde.
    Mit einiger Genugtuung stellte er fest, daß sie anscheinend selbst zu groß waren, um darunter durchkriechen zu können.
    Auf dem Zettelchen stand nur eine lapidare Aufforderung, so klein geschrieben, daß er Mühe hatte, sie zu entziffern.
    Gib auf
    Renshaw grinste böse, griff in seine Westentasche, holte einen Bleistift heraus und verstaute anschließend dort die Ben-zinnachfüllflasche. Dann kritzelte er etwas auf das Papier und schob es wieder durch die Tür. Seine Antwort lautete: Ihr könnt mich …
    Plötzlich prasselte ein greller Hagel von Raketengeschossen in hohem Bogen durch das Loch in der Tür. Renshaw rettete sich mit einem Sprung zur Seite. Die Geschosse krachten gegen die hellblauen Kacheln über der Handtuchstange und verwandelten die makellos geflieste Wand in eine trostlose zerklüftete Mondlandschaft.
    Unter dem staubigen Regen von Kalk und Granatsplittern zog Renshaw den Kopf ein und versuchte, die Augen mit den Händen zu schützen. Sengende Kugeln bohrten sich durch den Stoff seines Hemdes in den Rücken. Erst als der Geschoßhagel ein bißchen nachgelassen hatte, wagte er eine vorsichtige Bewegung. Er stieg auf den Rand der Wanne und öffnete das Fenster.
    Unzählige Sterne glänzten metallisch kalt am Himmel. Die Luke war eng, ebenso schmal wie das Fensterbrett darunter.
    Aber das war nun einmal nicht zu ändern.
    Er quälte sich bis zum Rumpf durch die Fensteröffnung und suchte außen mit den Händen Halt. Die kühle Abendluft traf sein wundes zerkratztes Gesicht wie ein Schlag mit der flachen Hand. Er starrte hinunter. Vierzig Stockwerke lagen unter ihm.
    Aus dieser Höhe wirkten selbst die breiten Avenues nicht größer als die Schienen einer Spielzeugeisenbahn. Die hellen Neonlichter der Stadt tanzten vor seinen Augen und funkelten wie Juwelen auf dunklem Samt.
    Renshaw war ein durchtrainierter und athletischer Mann.
    Mit Schwung zog er die Knie hoch auf das Fensterbrett. Wenn in diesem Moment einer der Hubschrauber hineingeflogen gekommen wäre und ihn angegriffen hätte, so hätte ein gezielter Schuß auf sein Hinterteil genügt, und er wäre schreiend vornüber gestürzt. Doch es geschah nichts.
    Er richtete sich ein wenig auf und zog erst das eine, dann das andere Bein über den unteren Fensterrahmen, die Finger fest um den Sims gekrallt. Schließlich stand er aufrecht auf der Brüstung vor dem Fenster.
    Er durfte jetzt nur nicht daran denken, was geschehen würde, wenn er das Gleichgewicht verlöre oder einer plötzlichen Attacke der Hubschrauber ausgesetzt sein würde. Mit zusammengebissenen Zähnen arbeitete er sich Zentimeter um Zentimeter bis zu der Ecke des Gebäudes vor. Noch fünfzehn Schritte … noch zehn … Geschafft!
    Er blieb stehen, Oberkörper und Handflächen fest gegen den rauhen Putz der Außenwand gepreßt. Sein Hemd spannte über der Brust, und er spürte den harten kalten Druck der Benzin-ampulle bis auf die bloße Haut. Der Revolver hing zentner-schwer in seinem Gürtel.
    Jetzt mußte er nur noch um die verfluchte Ecke kommen.
    Langsam tastete er mit dem rechten Fuß nach vorne vor und verlagerte sein Gewicht auf das rechte Bein. Die Kante des Gemäuers bohrte sich wie die Klinge eines scharfen Messers gegen seine Brust. Dicht vor seinen Augen klebten bröckelige Spuren von Vogelexkrementen auf dem Putz. Gott, ich hätte nie gedacht, daß die so hoch fliegen können, schoß es ihm in einem irrsinnigen Augenblick nachlassender Konzentration durch den Kopf.
    Da verlor er mit dem linken Fuß den Halt. Eine sterbensnahe Sekunde lang drohte er zu kippen, fing sich jedoch wieder, ruderte mit den Armen und umklammerte die beiden aneinandergrenzenden Seiten der Hauswand wie den Körper einer Geliebten. Dabei preßte er sein Gesicht gegen die scharfe Eckkante, und sein Atem ging wie rasend. Dann, nachdem er einen Augenblick unbeweglich so gestanden hatte, zog er den linken Fuß nach. In etwa zehn Metern Entfernung ragte der Balkon seines Wohnzimmers vor. Er tastete sich Schritt für Schritt weiter. Sein Atem ging flach und stoßweise. Zweimal mußte er stehenbleiben, wenn eine plötzlich aufkommende Windböe ihn von dem schmalen Sims zu reißen drohte.
    Endlich aber hatte er den Balkon erreicht. Er griff nach dem schmiedeeisernen Geländer und schwang sich hinüber. Die gläserne Schiebetür war nur halb von den Vorhängen verdeckt, so daß er einen vorsichtigen Blick ins Zimmer wagen konnte.
    Sie standen genau so, wie er sie

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