Nachtschicht
dämmerte es bereits, und das Zwielicht warf lange graue Schatten in den Raum, die mit langen Spinnenbeinen über den Boden krochen.
Plötzlich rutschte eine der Papierlaschen unter der Kordel durch, öffnete sich ein wenig und gab ein Stück des Inhalts frei.
Es sah aus wie die mattgrüne Oberfläche einer Metallbox, allem Anschein nach mit Scharnieren versehen. Renshaw holte ein Taschenmesser und durchtrennte die Kordel. Sie sprang ab, und nachdem er das restliche Papier mit der Spitze seines Messers aufgerissen hatte, lag die Box vor ihm.
Sie war grün und am Rand schwarz, und in ihren Deckel waren mit weißen Buchstaben die Worte graviert:
VIETNAM - FELDKISTE
Und darunter stand: 20 INFANTRISTEN, 10 KAMPF-HUBSCHRAUBER, 2 ARTILLERISTEN, 2 GRANATWERFER, 2 SANITÄTER, 4 JEEPS. Und darunter: 1 FLAK-Vorrichtung.
Und wiederum darunter, in einer Ecke: MORRIS’ SPIELWARENFABRIK, MIAMI, FLORIDA. Renshaw steckte die Hand nach der Kiste aus, zuckte jedoch sofort zurück. Irgend etwas in ihrem Inneren hatte sich bewegt. Ohne ersichtliche Eile stand er auf und ging, ohne den Tisch aus den Augen zu lassen, rückwärts durch’ das Zimmer an der Küche vorbei in den Flur. Dort knipste er das Licht an.
Die Vietnam-Feldkiste bewegte sich ruckweise, so daß das Packpapier unter ihr raschelte. Plötzlich kippte sie und fiel mit einem dumpfen Aufprall zu Boden. Dort kam sie auf einer der Schmalseiten zu stehen, und ihr an zwei Scharnieren befestigter Deckel klappte einige Zentimeter auseinander.
Winzige Fußsoldaten, nur etwa drei Zentimeter groß, krabbelten ins Freie. Mit aufgerissenen Augen stand Renshaw da und sah ihnen zu. Nicht einen Augenblick lang fragte er sich, ob das, was sich dort abspielte, Traum oder Wirklichkeit war.
Das einzige, was ihn beschäftigte, war die Frage, wie er sich retten, die Situation in den Griff bekommen könnte.
Die Soldaten trugen Uniformen, Helme und Tornister in Miniaturausgabe. An ihren Schultern hingen streichholzdünne Maschinengewehre. Zwei von ihnen hatten Renshaw sofort gesehen und spähten zu ihm herüber. Ihre winzigen, stecknadelkopfgroßen schwarzen Augen funkelten böse.
Erst zählte er fünf, dann zehn, dann zwölf, schließlich alle zwanzig. Einer von ihnen gestikulierte wild, anscheinend, um den anderen Befehle zu erteilen. Sie nahmen entlang der Kante des Kistendeckels Aufstellung und begannen wie auf Kommando zu schieben. Millimeter für Millimeter weitete sich die Öffnung.
Renshaw ging wieder hinüber zur Couch und bewaffnete sich mit einem Kissen. Dann bewegte er sich langsam auf die Kiste zu.
Der Kommandeur der Truppe drehte sich um und machte ein Zeichen. Sogleich fuhren auch die anderen herum, die Maschinengewehre im Anschlag. Renshaw hörte leise, beinahe lustig hell klingende Geräusche, so, als fielen eine Handvoll Murmeln auf einen gepflasterten Gehsteig. Dann hatte er das Gefühl, als fiele ein Schwarm Wespen über ihn her. Er schleuderte das Kissen und traf. Er zersprengte die geordnete Reihe der kleinen Soldaten und warf sie in alle Himmelsrichtungen auseinander.
Dann schlug es gegen die Kiste, deren Deckel sich durch den Stoß weit öffnete.
Ein heller zirpender Ton, und wie eine dicke Wolke kleiner olivgrüner Insekten schwirrten mehrere winzige Helikopter in die Höhe. Sekunden später hörte Renshaw das Surren ihrer Propeller dicht an seinem Ohr und sah, wie aus den zurückgeschobenen Seitentüren funkengroße Mündungsfeuer aufblitz-ten. Seine Brust, sein rechter Arm und die rechte Partie seines Halses wurden wie von feinen Nadelstichen durchbohrt. Er holte aus und konnte tatsächlich einen der Hubschrauber erwischen, zugleich aber durchzuckte ihn ein jäher Schmerz. Blut quoll zwischen seinen brennenden Fingern hervor. Die messerscharfen Propeller hatten seine Haut zerfetzt und bis auf die Knochen durchschlagen. Die Innenfläche seiner Hand war übersät von diagonal verlaufenden blutigen Streifen.
Die anderen Hubschrauber befanden sich nun außer Reichweite und umkreisten Renshaws Kopf in sicherer Entfernung wie Bienen einen Honigtopf. Derjenige von ihnen, den er hatte erwischen können, war auf den Boden gefallen und lag reglos da.
Plötzlich schrie er laut auf vor Schmerz. Ein kleiner Soldat stand auf seinem Schuh und rammte ohne Unterlaß sein Bajonett in Renshaws Fußgelenk. Keuchend hob er sein Gesichtchen und verzog es zu einem satanischen Grinsen.
Renshaw holte aus und schleuderte das Mähnchen mit dem Fuß quer durch den Raum. Sein
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