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Nachtschicht

Nachtschicht

Titel: Nachtschicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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oder allgemeine Gerüchte - wenn überhaupt - ihm über ein kleines, verlassenes Dorf namens Jerusalem’s Lot bekannt sind, das am Royal River in der Nähe einer Gemeinde namens Preacher’s Corners liegt? Der Fluß ist ein Nebenfluß des Androscoggin und fließt etwa elf Meilen vor der Mündung dieses Stroms in der Nähe von Chapelwaite in den Androscoggin. Du würdest mir damit einen großen Gefallen erweisen, und, was noch wichtiger ist, es könnte von einiger Bedeutung sein.
    Beim Durchgehen dieses Briefes merke ich, daß ich ein bißchen kurz mit Dir war, Dick, was ich aufrichtig bedauere. Aber sei gewiß, daß ich Dir schon bald alles erklären werde. Bis dahin liebe Grüße an Deine Frau, Deine beiden prächtigen Söhne und natürlich an Dich
    Herzlichst
    Dein Freund CHARLES.

    16. Oktober 1850
    Lieber Bones,
    ich habe Dir etwas zu berichten, das sowohl Cal wie auch mir etwas sonderbar (um nicht zu sagen beunruhigend) erscheint - sieh selbst, was Du davon hältst. Sonst mag es einfach dazu dienen, Dich zu unterhalten, während Du Dich mit den Moskitos herumschlägst!
    Zwei Tage nachdem ich meinen letzten Brief an Dich aufgegeben habe, traf eine Gruppe von vier jungen Frauen aus Preacher’s Corners unter der Aufsicht einer ältlichen Dame mit furchteinflößend kompetenter Miene namens Mrs. Cloris hier ein, um das Haus in Ordnung zu bringen und einen Teil des Staubs zu entfernen, der meine Nase bei jedem zweiten Schritt zum Niesen gereizt hatte. Sie machten allesamt einen etwas nervösen Eindruck, als sie sich an die Arbeit machten; eine törichte junge Dame stieß sogar einen leisen Schrei aus, als ich den Salon betrat, während sie dort Staub wischte.
    Als ich Mrs. Cloris deswegen fragte (sie war gerade dabei, die Halle unten mit einer grimmigen Entschlossenheit abzustau-ben, die Dich wirklich überrascht hätte; das Haar hatte sie mit einem alten, verblichenen Tuch hochgebunden), drehte sie sich zu mir herum und antwortete mit entschlossener Miene: »Sie mögen das Haus nicht, und ich mag es auch nicht, Sir, denn es ist immer schon ein schlechtes Haus gewesen.«
    Das Kinn fiel mir bei dieser unerwarteten Feststellung herunter, und sie fuhr in einem etwas freundlicheren Ton fort: »Ich will damit nicht sagen, daß Stephen Boone nicht ein anständiger Mann war, denn das war er. Solange er hier wohnte, habe ich für ihn jeden zweiten Donnerstag saubergemacht, genau wie ich für seinen Vater, Mr. Randolph Boone, saubergemacht habe, bis er und seine Frau achtzehnhundertsechzehn verschwanden. Mr. Stephen war ein guter und freundlicher Mann, und das scheinen Sie auch zu sein (Sie mögen mir meine Direktheit verzeihen, aber ich kann mich nicht anders ausdrücken), doch dieses Haus ist schlecht, und das ist es immer gewesen, und kein Boone ist hier glücklich gewesen, seit sich Dein Großvater Robert und sein Bruder Philip wegen gestohlener (und hier zögerte sie, fast schuldbewußt) Dinge siebzehnhundertneunundachtzig entzweiten.«
    Was für ein Gedächtnis diese Leute doch haben, Bones!
    »Das Haus wurde im Unglück gebaut, die, die hier lebten, waren unglücklich, Blut ist auf seinem Boden vergossen worden (ich weiß nicht, ob Dir bekannt ist, Bones, daß mein Onkel Randolph in einen Unfall auf der Kellertreppe verwickelt war, bei dem seine Tochter Marcella den Tod fand; er nahm sich anschließend in einem Anfall von Reue selbst das Leben. Stephen hat den Zwischenfall in einem seiner Briefe an mich erwähnt, den er anläßlich des traurigen Ereignisses des Geburtstags seiner verstorbenen Schwester schrieb), Menschen sind verschwunden und Unfälle sind passiert.
    Ich arbeite schon lange hier, Mr. Boone, und ich bin weder blind noch taub. Ich habe schreckliche Geräusche in den Wänden gehört, Sir, schreckliche Geräusche - dumpfe Schläge und Poltern, und einmal ein sonderbares Heulen, das halb wie Gelächter klang. Das Blut ist mir regelrecht in den Adern erstarrt. Es ist ein böses Haus, Sir.« Hier brach sie ab, vielleicht aus Angst, daß sie zuviel gesagt hatte.
    Was mich selbst betraf, so wußte ich kaum zu sagen, ob ich beleidigt oder amüsiert, neugierig oder einfach ganz sachlich sein sollte. Ich glaube, daß ich an diesem Tag wohl in erster Linie amüsiert war. »Und was vermuten Sie, Mrs. Cloris? Geister, die mit ihren Ketten rasseln?«
    Doch sie sah mich nur merkwürdig an. »Es mag schon sein, daß es hier Geister gibt. Aber das in den Wänden sind keine Geister. Es sind keine Geister, die wie die

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