Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
alles oberhalb ihrer Schultern erfasst.
Wo war Hart? Sie konnte ihn nicht sehen.
Sie schaute zur Spitze des Hügels - die sehr weit entfernt schien - und sah ein schwaches Licht von dem Wohnmobil ausgehen. Harts Partner rief nach ihm. Er hatte den Unfall zweifellos gehört, konnte den Transporter, der durch hohes Gebüsch gerollt war, aber nicht sehen.
Sie waren nicht ganz bis auf den Grund des Tals gestürzt. Der Wagen lag auf einer etwa sechs Meter breiten Plattform, an deren Kante es abermals steil abwärtsging - circa zehn Meter, schätzte Brynn. Unten floss ein reißender Bach.
Deine Beine sind in Ordnung, sagte sie sich. Steh auf.
Aber sie schaffte es nicht. Nicht mit gefesselten Händen. Die Hebelwirkung reichte nicht aus.
»Verfickte Scheiße.« Sie hatte in ihrem Leben bisher höchstens ein Dutzend Mal so vulgär geflucht.
Schließlich zog sie die Knie an und schaffte es, sich auf sie zu rollen und torkelnd auf die Beine zu kommen. Sie schob sich die Landkarte hinten in den Bund ihrer Traininghose und sah sich hastig nach Hart um.
Und da war er. Er war herausgeschleudert worden - wie es normalerweise mit Unfallopfern geschah, die keinen Sicherheitsgurt trugen und an einem Baum oder Verkehrsschild zerschmettert wurden. Er lag auf der anderen Seite des Transporters auf dem Rücken. Seine Augen waren geschlossen, aber sein Bein und sein Kopf bewegten sich.
Die schwarze Glock lag ungefähr fünf Meter von ihm entfernt.
Brynn überlegte sich, die Pistole wie einen von Joeys Bällen mit dem Fuß vor sich herzuschießen, bis sie sich in einigermaßen sicherer Entfernung befand. Dann könnte sie sich hinknien, die Waffe aufheben und wieder aufstehen.
Gerade als sie losgehen wollte, hörte Brynn ein Wimmern. Sie fuhr herum und sah Amy - das blonde Mädchen mit dem schmutzigen weißen T-Shirt und dem Jeansrock, in der Hand
irgendein Spielzeug. Die Kleine lief panisch den Hügel herunter. Vielleicht hatte Harts Partner sie in Angst versetzt und zur Flucht aus dem Wohnmobil veranlasst.
Brynn stand zwischen ihr und Hart, der allmählich wieder zu Bewusstsein kam. Seine Augen blieben geschlossen. Aber seine Finger krümmten und streckten sich. Er stöhnte.
Das Mädchen hatte den Fuß des Hügels fast erreicht. Es rannte weinend und blindlings voran. Noch zehn Sekunden und es würde die Kante oberhalb des Baches erreichen.
»Amy! Halt!«
Die Kleine konnte Brynn nicht hören oder achtete nicht auf sie.
Ein Blick zurück zu Hart. Er versuchte sich aufzusetzen und schaute sich um. Allerdings hatte er sie noch nicht entdeckt.
Die Waffe? Oh, wie sehr sie die Waffe wollte!
Aber sie hatte keine Wahl. Brynn verzichtete auf die Pistole und rannte auf das Mädchen zu. Etwa einen Meter vor der Kante fing sie Amy ab und fiel unmittelbar vor ihr schmerzhaft auf die Knie.
Das Mädchen blieb erschrocken stehen.
»Es ist okay, Kleines. Erinnerst du dich an mich? Es ist alles in Ordnung. Sei vorsichtig. Ich möchte nicht, dass du stürzt. Lass uns da drüben ins Gebüsch gehen.«
»Wo ist Mommy?«
»Ich weiß es nicht genau, Amy. Aber ich bin hier. Dir wird nichts geschehen.«
»Ich habe gehört …«
»Komm mit.«
Brynn blickte zurück. Hart versuchte sich aufzurappeln. Er hatte sie noch immer nicht gesehen.
»Hart!« Die Stimme kam oben vom Hügel. Brynn sah die Silhouette von Harts Partner.
»Amy, lass uns da drüben hingehen. Diese Klippe gefällt mir nicht.«
»Wo ist meine Mommy ?« Ihre Stimme zitterte.
»Komm mit.« Brynn hasste sich dafür, aber sie musste es sagen: »Ich helfe dir, sie zu suchen.«
Der Anflug von Hysterie legte sich. »Okay.«
Brynn eilte zum Fuß des Hügels und führte das Kind in ein dichtes Unterholz aus Sträuchern und hohem Gras. Damit waren sie für Hart außer Sicht.
»Ich helfe dir, deine Mutter zu finden, aber das geht erst, wenn meine Hände frei sind. Kannst du mir helfen? Du weißt doch noch, wie du diese Tüten zugeklebt hast, oder?«
Sie nickte.
»Tja, ich habe dieses Klebeband um meine Handgelenke.«
»Das hat Rudy gemacht.«
»Stimmt. Es war so eine Art Scherz.«
»Ich glaube nicht, dass es ein Scherz war. Er macht so was oft.«
»Meine Hände tun weh. Nimmst du mir das Klebeband ab?«
»Ja, ich mache es ab. Ich mag Rudy nicht. Er schaut mich manchmal so komisch an, wenn er glaubt, dass ich schlafe.«
Brynns Herz schlug schnell. »Du brauchst dir wegen Rudy keine Sorgen mehr zu machen. Ich bin eine Polizistin.«
»Wirklich? So wie in Drei Engel für
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