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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Michelle, die angewidert das Gesicht verzog. Doch Brynn lächelte weiterhin Amy an. »Tja, ich rieche vermutlich auch nicht besonders gut. Aber es wird Spaß machen. Na komm. Steig auf.« Brynn drehte sich um. »Ich klettere voran«, flüsterte sie Michelle zu. »Falls etwas passiert oder ich sie fallen lasse, versuchen Sie, Amy aufzufangen. Kümmern Sie sich nicht um mich.«
    Michelle nickte und hob das Kind auf Brynns Schultern. »Geht es?«
    »Wir haben keine Wahl«, keuchte Brynn.
    Das Motto des Abends.
    Obwohl die Last nicht so schwer war wie befürchtet. Brynn dachte daran, wie dünn das kleine Mädchen war … und welch trauriges Schicksal ihm eine solche Vernachlässigung eingebracht hatte.
    Sie machten sich an den Aufstieg, Schritt für Schritt. Brynns Herz raste, und ihre Beine brannten, aber sie kämpfte sich voran. Etwa viereinhalb Meter über dem Boden fingen ihre Muskeln an zu zittern. Mehr aus Angst als vor Anstrengung. Wie sehr sie Höhen hasste … Sie hielt häufig inne.

    Amy hatte die Arme fest um Brynns Hals geschlungen; das erschwerte ihr das Atmen. Aber es war ihr ganz recht so; das Kind durfte nicht loslassen.
    Ihre wackligen Beine trugen sie einen Meter weiter, dann zwei, dann drei. Dabei klammerte sie sich fester an den Fels als nötig gewesen wäre; ihre Finger verkrampften sich. Sogar ihre Zehen rollten sich ein, als würde sie barfuß klettern.
    Endlich, nach einer Ewigkeit, ragte ihr Kopf über die Kante, und sie sah eine flache Ebene. Unmittelbar vor ihr erhob sich ein Forsythiendickicht. Sie wagte es nicht, einen Blick nach unten zu werfen, sondern packte mit der rechten Hand alle Äste in Reichweite, testete die Belastbarkeit, atmete tief durch und ließ den Fels los. Sie zog sich halb über die Kante und sagte: »Amy, steig über meinen Kopf. Knie dich auf meine Schultern und klettere nach oben. Dann bleibst du stehen und wartest auf uns.«
    Brynn wollte ihr gut zureden, aber die Kleine sagte einfach »Okay« und kletterte los. Oben verharrte sie reglos.
    Ein Kind, das gewohnt war zu parieren.
    Brynn zog sich selbst nach oben und blieb keuchend sitzen. Dann schaute sie hinunter - und stellte enttäuscht fest, dass die Wand von hier oben längst nicht so einschüchternd wirkte, als wäre sie die Anstrengung und Angst gar nicht wert gewesen. Sie winkte Michelle zu sich. Die junge Frau stieg trotz ihres verletzten Knöchels schnell nach oben - was sie ihrer Jugend und ihrem schicken, den Hintern festigenden Fitnesscenter verdankte. Brynn half ihr über die Kante, und dann hockten sie zu dritt dicht nebeneinander und rangen nach Atem.
    Brynn orientierte sich, sah sich um und fand einen Pfad, der nach oben zu führen schien. Sie brachen auf.
    Michelle ging dicht neben ihr. »Was wird aus dem Mädchen?«
    »Falls es keine Verwandten gibt, kommt sie ins Heim.«
    »Wie traurig. Sie sollte bei einer Familie leben.«

    »Hier in Kennesha County funktioniert das System ganz gut. Das Jugendamt geht wirklich gründlich vor.«
    »Es wäre schön, wenn man eine Pflegefamilie finden könnte, die sie liebevoll aufnimmt. Ich jedenfalls würde alles Mögliche dafür tun.«
    Vielleicht hatten die Probleme zwischen Michelle und ihrem Mann auch mit Kindern zu tun. Womöglich wollte er keine.
    »Adoptionen sind möglich. Ich weiß aber nicht, was man im Einzelnen tun muss.« Brynn berührte ihre Wange. Es tat höllisch weh. Michelles Blick war auf Amy gerichtet. »Hätten Sie gern Kinder?«, fragte Brynn.
    »Das wäre großartig. Ich liebe Kinder … Wie man sie anleitet, ihnen etwas beibringt. Und was man umgekehrt durch sie lernt. Sie sind eine ständige Herausforderung. Kinder machen einen, ich weiß auch nicht, irgendwie vollständig. Ohne sie ist man kein ganzer Mensch.«
    »Sie klingen wie eine Expertin. Sie werden bestimmt mal eine gute Mutter sein.«
    Michelle lachte auf. »Das habe ich auch vor.«
    Wenigstens vorübergehend waren alle Gedanken an untreue Männer und ruinierte Ehen ausgeblendet, und die Frau schien zuversichtlich in die Zukunft zu blicken.
    Und was ist mit mir?, dachte Brynn.
    Geh weiter, trieb sie sich an. Geh weiter.

63
    Lewis hatte an der Schrotflinte einen improvisierten Riemen befestigt und trug sie nun auf dem Rücken. Die Männer stiegen in möglichst gerader Linie den Hügel hinauf. Hart nahm
an, dass die Frauen wegen des Mädchens so manchen Umweg in Kauf nehmen mussten.
    Er dachte an all die mustergültigen Ehepaare und ihre Kinder, die er an den Kletterwänden der

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