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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Kragen, was unkultiviert wirkte, aber effizient war, und Mankewitz hatte Effizienz schon immer zu schätzen gewusst.
    Mankewitz war hungrig, aber auch müde. Er war der Kopf einer örtlichen Gewerkschaft - vielleicht sogar der wichtigsten am Westufer des Lake Michigan. Ihre Mitglieder waren harte, fordernde Arbeiter, angestellt bei Firmen, deren Eigentümer ebenfalls hart und fordernd waren.
    Womit sich auch Mankewitz’ Leben ziemlich gut umschreiben ließ.
    Ihr Gastgeber, einer der Funktionäre des nationalen Gewerkschaftsverbands, war aus New Jersey eingeflogen, um mit Mankewitz zu sprechen. Er hatte Mankewitz eine Zigarre angeboten, als sie in einem Konferenzraum der Gewerkschaftszentrale saßen - wo das allgemeine Rauchverbot zumeist nicht beachtet wurde -, und ihm dann mitgeteilt, dass die auf
Bundes- und Staatsebene in Gang gebrachte Untersuchung ein vorteilhaftes Ende nehmen müsse, und zwar möglichst schnell.
    »Das wird sie«, hatte Mankewitz ihm versichert. »Garantiert.«
    »Garantiert«, hatte der Mann aus New Jersey wiederholt, auf die gleiche abrupte Art, mit der er zuvor die Spitze seiner Zigarre abgebissen hatte.
    Mankewitz hatte sich nicht anmerken lassen, wie empört er darüber war, dass dieses Arschloch aus Newark herkam und ihm wie eine kleinliche Oberlehrerin eine Warnung überbrachte. Stattdessen hatte er gelächelt und eine Zuversicht zur Schau gestellt, die er keineswegs empfand.
    Nun spießte er seine Salatblätter vom Teller, ohne Dressing, aber mit umso mehr Anchovis.
    Das Abendessen war ausschließlich als geselliges Beisammensein gedacht, und das Gespräch nahm immer wieder neue Wendungen. Die Männer unterhielten sich über die Packers, die Bears und die Giants, aber nur kurz, weil eine Dame mit am Tisch saß, und alle fanden, dass Ausflugsziele in Door County oder Reisen durch die Karibik die angenehmeren Themen waren. Der Mann aus New Jersey bot Mankewitz seine Anchovis an. Der lehnte lächelnd ab, kochte innerlich aber vor Wut. Und vor Hass. Sollte ihr Gastgeber jemals für den Vorstandsposten des nationalen Gewerkschaftsverbands kandidieren, würde Mankewitz dafür sorgen, dass die Wahlkampagne des Kerls schneller unterging als die Edmund Fitzgerald.
    Als die Salatteller geräuschvoll abgeräumt wurden, bemerkte Mankewitz einen Mann, der soeben ohne Begleitung das Restaurant betrat und kurz den Kopf schüttelte, als die Platzanweiserin ihm einen Tisch anbieten wollte. Er war Ende dreißig, mit kurzem lockigem Haar und freundlichem Gesicht und wirkte alles in allem wie ein gutmütiger Hobbit. Nun orientierte er sich und ließ den Blick durch das schwach beleuchtete und stark
italienisch verkitschte Lokal schweifen, das Ukrainern gehörte und dessen Personal aus Osteuropäern und Arabern bestand. Am Ende entdeckte er Mankewitz, der mit seinen hundertfünf Kilo und dem beneidenswert vollen silbernen Schopf kaum zu übersehen war.
    Ihre Blicke trafen sich. Der Mann wich in den Korridor zurück. Mankewitz trank einen Schluck Wein und wischte sich den Mund ab. Dann stand er auf. »Bin gleich wieder da.«
    Der Gewerkschaftsboss gesellte sich zu dem Hobbit und ging mit ihm in Richtung der am heutigen Abend nicht genutzten Bankettsäle. In dem langen Flur hielt sich niemand sonst auf; es hingen lediglich Fotos von Leuten wie Dean Martin, Frank Sinatra und James Gandolfini an der Wand, deren mit dickem Strich hinterlassene Unterschriften und Lobpreisungen des Restaurants sich alle verdächtig ähnlich sahen.
    Schließlich hatte Mankewitz keine Lust mehr auf diesen Spaziergang und blieb stehen. »Was ist los, Detective?«, fragte er.
    Der Mann zögerte, als wolle er sich unter den gegebenen Umständen lieber nicht mit seinem Dienstrang anreden lassen. Und Mankewitz kam zu dem Schluss, dass es sich wohl tatsächlich so verhielt.
    »Es gibt eine Situation.«
    »Was soll das heißen - ›Situation‹? Das ist eines dieser Wörter aus Washington, ein Politikerbegriff.« Mankewitz hatte in letzter Zeit schlechte Laune, was kaum überraschte, aber seine schroffe Reaktion klang nicht allzu aggressiv.
    »Oben in Kennesha County«, fuhr der Hobbit ungerührt fort.
    »Wo, zum Teufel, ist das denn?«
    »Ungefähr zweieinhalb Stunden nordwestlich von hier.« Der Cop senkte seine Stimme sogar noch mehr. »Die Anwältin in diesem Fall hat dort ein Ferienhaus.«
    Der Fall.
    »Die Anwältin von …«

    »Ich hab’s begriffen.« Nun war Mankewitz derjenige, der eine Indiskretion fürchtete, daher schnitt er

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