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Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind

Titel: Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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alles im Voraus, jedes Detail. Ich bin nie überrascht. Die eigentliche Ausführung des Jobs ist dann meistens sogar langweilig, weil ich sie schon so oft in Gedanken durchgespielt habe.«
    Zweimal messen, einmal schneiden …
    »Und heute Abend? Ich habe fünfundneunzig Prozent der möglichen Entwicklungen vorausgeahnt und entsprechend geplant. Doch um die letzten fünf Prozent habe ich mich nicht weiter gekümmert - nämlich dass diese Michelle mich für ihre Zielübungen missbrauchen würde. Aber ich hätte mich darum kümmern müssen.«
    Der schmale Lewis schaukelte im Sitzen vor und zurück. »Der Trickster.«
    »Der was?«, fragte Hart.
    »Meine Großmutter hat immer gesagt, wenn etwas schiefgeht, womit du nicht gerechnet hast, dann steckt der Trickster
dahinter. Sie hatte das aus irgendeinem Kinderbuch oder so. Ich weiß es nicht mehr. Der Trickster hat immer darauf gelauert, die Dinge zum Schlechteren wenden zu können. Wie das Schicksal oder Gott oder wer auch immer. Nur dass das Schicksal auch mal was Gutes bringen konnte. Zum Beispiel dir ein Lotterielos geben, das gewinnt. Oder dich an einer gelben Ampel anhalten lassen, obwohl du normalerweise weitergefahren wärst, und dich so davor retten, von einem rasenden Schwertransporter zerquetscht zu werden. Und Gott verhielt sich gerecht, sodass du bekommen hast, was du verdienst. Der Trickster aber hatte bloß vor, dir einen Strich durch die Rechnung zu machen.« Er deutete wieder auf das Haus. »Heute hat er uns einen Besuch abgestattet.«
    »Der Trickster.« Das gefiel Hart.
    »Aber so ist nun mal das Leben, Hart. Manchmal vergisst man die letzten fünf Prozent eben. Doch was soll’s? Es dürfte nach wie vor am besten sein, sofort von hier abzuhauen und alles hinter uns zu lassen.«
    Hart stand auf. Er zuckte zusammen, als er sich gedankenlos mit dem verletzten Arm abstützen wollte. Dann schaute er hinaus auf den See. »Jetzt lass mich dir eine Geschichte erzählen, Lewis. Es geht darin um meinen Bruder … jünger als ich.«
    »Du hast einen Bruder?« Lewis’ Aufmerksamkeit wandte sich von dem Haus ab. »Ich hab zwei.«
    »Unsere Eltern sind kurz nacheinander gestorben. Als ich fünfundzwanzig war, war mein Bruder zweiundzwanzig. Ich bin für ihn eine Art Vaterfigur gewesen. Na ja, bereits damals haben wir unser Geld auf diese Weise verdient, du weißt schon. Und einmal hat mein Bruder einen Auftrag bekommen, ganz simpel, von einem Buchmacher. Er war meistens Laufbursche. Er musste irgendwo Geld abholen und es woanders abliefern. Ein typischer Laufburschenjob. Ich meine, Tausende von Leuten machen so was jeden Tag, oder? Auf der ganzen Welt.«
    »Klar.« Lewis hörte aufmerksam zu.

    »Ich hatte gerade nichts Besseres zu tun, also habe ich ihm geholfen. Wir haben das Geld abgeholt …«
    »War das in Milwaukee?«
    »Nein. Wir sind in Boston aufgewachsen. Wir holen also das Geld und wollen es abliefern. Aber in Wahrheit will man uns in eine Falle locken. Der Buchmacher will uns umlegen, damit die Cops die Leichen, ein paar Aufzeichnungen und etwas Geld finden und glauben, das Wettgeschäft habe sich damit erledigt.«
    »Ihr wart seine Sündenböcke.«
    »Genau. Doch ich hatte irgendwie ein ungutes Gefühl, also sind wir mit dem Geld nicht vorn, sondern zur Hintertür raus und haben die wartenden Kerle gesehen. Mein Bruder und ich sind sofort abgehauen. Ein paar Tage später habe ich die Leute aufgespürt, die uns töten sollten, und mich um sie gekümmert. Aber der Chef war spurlos verschwunden. Es ging das Gerücht, er sei nach Mexiko geflohen.«
    »Er hatte wahrscheinlich eine Scheißangst vor dir.« Lewis grinste.
    »Nach sechs Monaten oder so habe ich aufgehört, nach ihm zu suchen. Tja, leider ist er nie in Mexiko gewesen, sondern hat uns die ganze Zeit im Auge behalten. Eines Tages ist er dann plötzlich bei meinem Bruder aufgetaucht und hat ihm die Birne weggeschossen.«
    »O Scheiße.«
    Hart hielt kurz inne. »Aber weißt du, Lewis, nicht er hat meinen Bruder getötet, sondern ich. Meine Faulheit hat meinen Bruder das Leben gekostet.«
    »Deine Faulheit?«
    »Ja. Weil ich aufgehört habe, nach diesem Arschloch zu suchen.«
    »Aber sechs Monate, Hart. Das ist eine lange Zeit.«
    »Es hätten auch sechs Jahre sein können, das spielt keine Rolle. Entweder man ist mit hundertzehn Prozent bis zum bitteren
Ende bei der Sache - oder man lässt es ganz bleiben.« Hart schüttelte den Kopf. »Zum Teufel, Lewis, vergiss es. Das hier ist mein Problem. Ich

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