Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
war derjenige, der als Erster für diesen Auftrag angeheuert wurde. Mach dir keine Gedanken. Es wäre mir eine besondere Ehre, wenn du mitkommen würdest. Aber wenn du lieber zurück nach Milwaukee willst, dann geh von mir aus. Ich bin dir nicht böse.«
Lewis schaukelte. Vor und zurück, vor und zurück. »Kann ich dich was fragen?«
»Sicher.«
»Was ist aus dem Kerl geworden, der deinen Bruder erschossen hat?«
»Er hat noch drei ganze Tage das Leben genossen.«
Lewis überlegte lange. Dann lachte er verächtlich auf. »Ich muss verrückt sein, Hart, aber ich komme mit.«
»Ja?«
»Verlass dich drauf.«
»Danke, Mann. Ich weiß das zu schätzen.« Sie reichten einander die Hände. Dann widmete Hart sich wieder seinem BlackBerry, bewegte das Fadenkreuz auf die nächstgelegene Stelle des Joliet Trail und betätigte die Taste NAVIGIEREN. Die Anweisungen erschienen nahezu umgehend auf dem kleinen Bildschirm.
»Lass uns jagen gehen.«
25
James Jasons, ein schmächtiger Mann Mitte dreißig, saß in seinem grauen Lexus, der schon ein paar Jahre alt war und einige Schrammen davongetragen hatte. Er befand sich auf dem Gelände
der »Great Lakes Intermodal Container Services, Inc.« im Hafenviertel von Milwaukee. Jasons verfolgte, wie Container von einem Schiff abgeladen wurden. Unglaublich. Die Kranführer hoben die großen Metallkästen an, als wären es Spielzeuge, schwangen sie von Bord und stellten sie zielsicher - und zwar jedes Mal - auf der Ladefläche eines Transporters ab. Die Container mussten zwanzig Tonnen wiegen, vielleicht sogar mehr.
Jasons war stets beeindruckt, wenn jemand geschickt zu Werke ging, egal wobei.
Ein lautes Rumpeln hallte durch die Nacht. Ein Signalhorn schmetterte, und ein Güterzug der Canadian Pacific rollte gemächlich vorbei.
Die Tür des alten Backsteingebäudes öffnete sich. Ein stämmiger Mann in zerknitterter grauer Stoffhose, einem Sakko, blauem Hemd ohne Krawatte kam die Treppe herunter und überquerte den Parkplatz. Jasons wusste inzwischen, dass der Leiter der Rechtsabteilung des Unternehmens - Paul Morgan - regelmäßig Überstunden machte.
Morgan steuerte seinen Mercedes an. Jasons stieg aus seinem Wagen, der zwei Reihen entfernt stand. Mit gesenkten Armen ging er auf den Mann zu.
»Mr. Morgan?«
Der Mann wandte den Kopf und musterte Jasons, der fast dreißig Zentimeter kleiner und fünfundvierzig Kilo leichter als der Anwalt war.
»Ja?«
»Wir kennen uns nicht, Sir. Ich arbeite für Stanley Mankewitz. Mein Name ist James Jasons.« Er überreichte ihm eine Visitenkarte. Morgan warf einen kurzen Blick darauf und steckte sie in eine Tasche, aus der er sie mühelos wieder herausholen konnte, sobald er am nächsten Mülleimer vorbeikam. »Ich weiß, es ist schon spät. Ich möchte nur kurz mit Ihnen sprechen.«
Morgans Blick schweifte über den Parkplatz. Was bedeuten sollte: Hier, jetzt? An einem Freitagabend? Er drückte den Knopf an seinem Autoschlüssel, und die Türen des Mercedes entriegelten sich klickend.
»Hatte Stanley Mankewitz nicht genug Schneid, um selbst herzukommen? Das überrascht mich nicht.« Morgan setzte sich ans Steuer, sodass der Wagen ein kleines Stück nach unten sackte. Er ließ aber die Tür offen und nahm Jasons von oben bis unten in Augenschein, von den zierlichen Schuhen über den Anzug in Größe 46 bis zu dem stahlharten Knoten der gestreiften Krawatte. »Sind Sie Anwalt?«
»Ich berate in rechtlichen Angelegenheiten.«
»Aha. Das ist für Sie also ein Unterschied«, sagte Morgan. »Haben Sie Jura studiert?«
»Ja.«
»Wo?«
»Yale.«
Morgan verzog das Gesicht. Er trug am kleinen Finger einen Ring, auf dem vermutlich das Wappen der DePaul University prangte. Nun, er hatte das Thema selbst angesprochen. »Erzählen Sie mir, was Ihr edler Anführer möchte, und dann hauen Sie ab.«
»Gern«, sagte Jasons freundlich. »Wir sind uns der Tatsache bewusst, dass Ihre Firma sich gegenüber Mr. Mankewitz und der Gewerkschaft in dieser schwierigen Zeit nicht besonders entgegenkommend verhalten hat.«
»Um Himmels willen, er steht im Zentrum einer bundesstaatlichen Untersuchung. Wieso, zum Teufel, sollte ich ihm den Rücken stärken wollen?«
»Ihre Angestellten sind Mitglieder seiner Gewerkschaft.«
»Das steht ihnen frei.«
»Und was die Untersuchung angeht - Sie wissen, dass keine Anklage erhoben wurde.« Jasons lächelte gutmütig. »Ein paar Beamte gehen einigen Behauptungen nach.«
»Beamte? Es ist das verdammte FBI.
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