Nachtschrei - Deaver, J: Nachtschrei - The Bodies left behind
Männer der Seeregion von Minnesota bis Michigan, und doch fühlte er sich im Umgang mit dem schmalen jungen Mann nicht wohl, der nur etwa halb so viel wie der Gewerkschaftsboss wog und zudem die meiste Zeit mit einem freundlichen Lächeln herumlief. Das durfte zum Teil daran liegen, dass Jasons, obwohl er einen Jura-Abschluss von Yale und ein Büro in der Rechtsabteilung der Gewerkschaft besaß, technisch gesehen nicht für Mankewitz arbeitete. Als »Fachmann für die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Belegschaft« war er ein unabhängiger Unternehmer, der über eigenen Einfluss verfügte. Er hatte sein eigenes kleines Reich - mit der Befugnis und dem Budget, nach Belieben Leute einzustellen. Außerdem konnte er Mittel zu Zwecken einsetzen, die der Gewerkschaft und Mankewitz zugutekamen,
dabei aber diverse lästige Meldevorschriften umgingen.
Hinzu kam der andersartige Lebensstil. Mankewitz war nicht dumm. Niemand erhielt die Aufträge, die Jasons erhielt, ohne dass der Gewerkschaftsboss ihn zuvor hatte gründlich durchleuchten lassen. Er wusste daher, dass Jasons allein in einem hübschen frei stehenden Haus in der Nähe des Sees wohnte. Dass seine Mutter in dem besagten Haus ein hübsches Einliegerapartment bewohnte. Dass sein langjähriger Freund Robert in einem unglaublichen Haus am See wohnte. Und er wusste vermutlich auch, dass Robert, ein erfolgreicher Ingenieur und breitschultriger Bodybuilder, Jasons Interesse an Eishockey, Wein und Musik teilte und dass die Partner ihre Lebensgemeinschaft nächstes Jahr offiziell besiegeln und ihre Flitterwochen in Mexiko verbringen wollten.
Doch Jasons wusste es zu schätzen, dass Mankewitz seine Hausaufgaben machte. Denn genauso ging auch Jasons bei seiner Arbeit vor.
Vor allem Alicia. Jeden Tag nach dem Unterricht von drei bis halb fünf in diesem Probenraum … Beeindruckend.
Mankewitz störte sich natürlich nicht an Jasons’ Lebensstil. Was paradox war, wenn man berücksichtigte, dass die Mitglieder der Ortsgruppe 408 einfache Arbeiter waren, hauptsächlich Männer, von denen einige James Jasons und Robert ohne Anlass zu Brei schlagen würden, sofern sich eine entsprechende Gelegenheit bot und sie ein paar Biere zu viel getrunken hatten.
Willkommen im neuen Jahrtausend.
Ein letztes Stück Apfel, versüßt durch die Cola light.
Er legte den zweiten Hamburger zurück in die Tüte und drehte sie zu.
Ein Schild am Straßenrand besagte, es seien noch neunundsiebzig Kilometer bis nach Clausen, das - wie er wusste - genau elfeinhalb Kilometer vor der Abzweigung zum Lake Mondac
lag. Da ihm schon seit geraumer Zeit keine anderen Fahrzeuge und erst recht keine Streifenwagen mehr begegnet waren, erhöhte er die Geschwindigkeit auf hundertzwanzig.
Und schaltete auf die christliche CD um, nur so aus Spaß.
50
Henry folgte mit dem schweren Jagdgewehr dem Pfad zu der Stelle, die Rudy ihm genannt hatte. Er zog eine kleine Plastiktüte aus der Tasche, außerdem eine Pfeife und ein Feuerzeug. Dann zögerte er und steckte alles wieder ein. Er hauchte sich in die gewölbten Hände und ging weiter. Dabei kratzte er sich die Narben an seinem Arm.
Als der kleine Pfad auf den größeren traf, der hinunter zu dem See führte, von dem sie ihr Wasser holten, blieb Henry stehen. Fünf Minuten lang harrte er aus, spähte mit verkniffenem Blick von rechts nach links und konnte keine Menschenseele entdecken. Er lehnte das Gewehr an einen Baum. Als er wieder in die Tasche griff, um das Meth und das Feuerzeug hervorzuholen, trat ein Mann aus der Dunkelheit vor und hieb ihm den Kolben einer Schrotflinte gegen die Stirn. Das Holz war zwar mit einer Gummiauflage gepolstert, aber immer noch hart genug, um Henry von den Beinen zu fegen. Sein Kopf lag weit im Nacken, der Blick irrte umher. Seiner Kehle entrang sich ein gurgelnder Laut, die Hände schlugen um sich, die Knie zuckten.
Als der ungepolsterte Kolben der Savage ihm die Luftröhre zerquetschte, zappelte Henry nicht mehr ganz so heftig. Und nach einer Minute bewegte er sich überhaupt nicht mehr.
51
Hart hörte jemanden kommen und hob angespannt das Jagdgewehr. Doch es war nur Lewis, der beiläufig zu der Leiche am Boden schaute, grunzte und die Schrotflinte nahm.
Hart bückte sich und fühlte mit der Außenseite seiner Finger den Hals des Mannes. »Tot. Wusstest du, dass man von der Haut Fingerabdrücke nehmen kann?«
»Nein, wusste ich nicht. Ehrlich?«
»Ja.« Hart zog sich wieder seine Handschuhe an. »Wie sieht’s
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