Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
an, und das edle, teure Kristallglas zerbarst in tausend Splitter, als der schlanke Kopf mit gebleckten Zähnen durch die Scheibe zielte.
Wie von Geisterhand gelenkt glitt der Schlüssel ins Zündschloss. Sie startete den Wagen und atmete innerlich auf, als der Motor leise brummend ansprang. Für Ann war es das schönste Geräusch der Welt.
Sie drückte den Fuß auf das Gaspedal. Der Wagen schoss nach vorn, und sie brauste mit der Coolness einer professionellen Rennfahrerin über den Vorplatz.
Regen klatschte auf die Windschutzscheibe. Sie nestelte an dem Knopf für die Scheibenwischanlage, die Wischer legten los - im Intervallmodus. Während die Dinger grottenlangsam über die Frontscheibe krochen, beschimpfte sie das neue Auto, die ungewohnte Bedienung und vor allem sich selbst. Weil es eine Schnapsidee gewesen war herzukommen.
Warum war sie bloß so unvernünftig gewesen? Ausgerechnet sie? Sie war eine Waise, einsam und allein, von den bösen Mächten gezeichnet, von Gott verstoßen. Schwester Mary Magdalene hatte sie bekniet, sie solle ihr Schicksal akzeptieren und allein bleiben, doch dagegen hatte Ann rebelliert.
Jetzt schwor sie hoch und heilig, dass sie Gott auf Knien danken würde, wenn sie das hier überlebte - vor allem ohne angelegten Sicherheitsgurt.
Dann blickte sie in den Rückspiegel.
Der Wolf rannte über die Wiese, nahm die Verfolgung des Miata auf.
Zum Kuckuck mit dem verdammten Sicherheitsgurt.
Er konnte sie nicht einholen. Das war nach den Gesetzen der Physik ausgeschlossen. Wölfe waren nun mal erheblich langsamer als Autos.
Allerdings verwandelten Menschen sich nach denselben Gesetzen ebenso wenig in Wölfe. Ob Jasha wohl irgendein freakisches Monster war? Womöglich konnte er sich in einen gigantischen Roboter verwandeln, der sie und ihren Wagen mit einem Fußtritt zermalmte.
Sie lenkte ihr Augenmerk auf die Landstraße und fuhr um ihr Leben.
Der Sturm schüttelte ihren kleinen Flitzer, als wäre er eine Nussschale auf dem Ozean. Blitze zuckten, Donner grollten. Die Haare fielen ihr in die Augen. Ihre Hände hatten Mühe, das Lenkrad zu halten, denn sie waren klamm vom Regen und vom Angstschweiß. Sie blinzelte angestrengt durch die beschlagene Frontscheibe, nahm die engen Kurven zu schnell, sah die Felsen vorbeirasen, die steil zum Meer hin abfielen. Dann, als sie in Richtung Inland lenkte, wurde der Wald wieder dichter. Klippen und Waldstücke wechselten sich ab. Sie musste sich auf die Straße konzentrieren, immerhin war sie die Strecke erst ein Mal gefahren …
Unvermittelt verlief die Landstraße in einer lang ansteigenden Kurve und fiel ohne jede Warnung steil bergab. Der Wagen verlor seine Bodenhaftung, schoss durch die Luft. Sie wurde von ihrem Sitz hochgeschleudert. Ihre Zähne schlugen schmerzhaft aufeinander, als die Reifen wieder auf
dem Asphalt aufschlugen. Der Airbag explodierte vor ihrem Gesicht, für Sekundenbruchteile sah Ann bloß noch weiße Schemen.
Während sie in ihren Sitz zurückgedrängt wurde, riss sie hektisch den Airbag beiseite. Endlich konnte sie wieder etwas sehen. Der Wagen brauste stur geradeaus, obwohl die Stra ße in einer Kurve verlief. In einer Linkskurve, und vor sich sah sie nichts als Regen und tief hängende Wolken über dem Rand der Klippen.
Sie trat die Bremse bis zum Bodenblech durch. Der Miata schlitterte über die regennasse Straße, das Heck brach seitlich aus.
Endlich griffen die Reifen. Sie hatte den Wagen wieder unter Kontrolle.
Zu spät. Viel zu spät. Die Hinterräder scherten erneut aus, rutschten über den Steilhang. Die Hälfte des Wagens hing über dem Felsvorsprung, hoch über den wild zerklüfteten Klippen und dem wogenden Ozean. Das Chassis schrammte kreischend über den Asphalt.
Sie würde sterben.
Eine Seite des Wagens knallte gegen irgendetwas. Es war irgendetwas Großes. Ein Felsbrocken. Ein Baumstamm. Was auch immer. Metall knirschte. Der Wagen kam zum Stehen. Stand so plötzlich, dass Ann auf den Beifahrersitz katapultiert wurde. Dabei ließ sie das Lenkrad los. Ihre langen Beine streiften schmerzhaft das Handschuhfach.
Sie saß wie paralysiert da, während sie angstvoll darauf wartete, dass der Wagen die Böschung hinunterstürzte und mit ihr im Atlantik versank.
Es passierte nichts dergleichen. Der Gestank von glühendem Metall und brennendem Gummi stieg ihr in die Nase. Sie lebte noch - und da sie Wert darauf legte, dass es so blieb, würde sie schleunigst aussteigen müssen. Aussteigen, bevor
der Wagen
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