Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
ihn mit der gleichen Panik, wie Frauen sie bei seinen brutalen Cousins empfinden mussten. »Heute Nacht hast du mir geschildert, was das im Detail bedeutet.«
Vor Jahren hatte Jasha gelernt, sich zu disziplinieren: Er verwandelte sich für gewöhnlich nur, wenn er mit Sicherheit allein war und die Zwänge der Zivilisation nicht mehr aushielt. Ann mit ihren riesigen Augen, dem sinnlichen Erdbeermund und den endlos langen Beinen stellte seine Selbstkontrolle auf eine harte Probe.
Sie gehörte ihm.
Er wollte sie nehmen, ihr beweisen, dass sie sein Weibchen war, ihr auf animalische Weise zu verstehen geben, dass sie sich auf ihn verlassen konnte, dass er ihr Essen und Wasser geben würde, Sicherheit … und Leidenschaft.
Stattdessen schrak sie vor ihm zurück.
Sie war Jungfrau gewesen. Er hatte ihr wehgetan - unvermeidlich, aber wahr. Er hatte ihr aber auch Lust geschenkt. Selige Wonnen, wieder und wieder.
Sie war verdächtig still und distanziert. Folglich würde es ihm gar nichts bringen, wenn er die Sache forcierte.
Gleichwohl begehrte er sie, von einer dunklen Obsession getrieben, die seine Seele quälte. Hatte sie womöglich Recht? Dass die Varinski-Gene es bloß darauf anlegten, ihn zu versuchen, ihm die Seele zu entreißen und ihn in die Feuer der Hölle zu stoßen - und in einen glutvollen wilden Rausch der Sinne?
»Willst du genau wissen, was es bedeutet, ein Varinski zu sein?« Er rutschte neben sie auf den Baumstumpf. Sie bog scheu den Oberkörper zur Seite, was er geflissentlich ignorierte.
Er senkte seinen Blick in ihren. »Ich hab dir von der Legende erzählt. Und von ihrem Ruf. Ich hab dir nicht erzählt, dass meine Brüder und ich als Jugendliche heimlich in der Stadtbibliothek waren und das Web nach dem Begriff Varinski durchsucht haben.«
»Die Varinskis stehen im Internet?« Ihre skeptisch umwölkten Augen blitzten interessiert auf, ihre Furcht verlor sich.
»Du wärst verblüfft über die vielen Informationen, die man dort abrufen kann. Sie haben keine eigene Website - oder hatten keine -, und wie üblich sind die Infos falsch. Da steht nämlich allen Ernstes, dass die Varinskis Vampire oder Werwölfe waren. Und obwohl die Familie stinkreich sein soll, waren dort Fotos von dem ›Herrenhaus‹ eingestellt, einem großen, düsteren, verfallenen Gemäuer mit ein paar Rostlauben davor.« Jasha schüttelte pikiert den Kopf. »Als Adrik, für gewöhnlich der Schlagfertigste in unserer Familie, die Bruchbude sah, meinte er: ›Wisst ihr was? Ein echter Russe braucht eben kein Schloss, sondern bloß eine runtergekommene Datscha - Hauptsache, er kann die komplette Werksausgabe von Dostojewski da reinpacken.‹«
»Das ist aber gemein!« Ann giggelte.
Ein guter Anfang. »Dann machten wir alle mit. ›Ein echter Russe kann sich mit seinem Cousin Boris ein heißes Balalaika-Duell liefern.‹ ›Ein echter Russe nennt seinen Lieblingshund Ludmilla.‹«
Ann bog sich vor Lachen.
»Nach ›Ein echter Russe lackiert seinen alten Dodge-Kombi in flammendem Kommunistenrot‹ wurde es der Bibliothekarin zu bunt. Wir bekamen Hausverbot. Wie üblich.« Bedauerlicherweise stimmte die Geschichte. »Und als wir nach Hause kamen, gab es nochmal Ärger.« Auch das stimmte.
Ann lachte - bis sich ein Schluchzer in ihren Heiterkeitsanfall
mischte. Dann noch einer und noch einer, bis sie wirklich weinte. Verdammt. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Andererseits war es eine prima Chance. Er legte einen Arm um sie und zog sie an sich.
Sie sträubte sich zwar nicht gegen seine Berührung, kuschelte sich aber auch kein bisschen an ihn.
»Was ist denn?«
»Ich … ich w…weiß auch nicht«, schniefte sie. »Es kommt mir pervers vor, dass ich über eine Geschichte lache, die so völlig normal klingt, obwohl ich diese Grenzwelten nie begreifen werde.« Sie tat einen langen Atemzug. »Ich mag nicht glauben, dass das Böse uns verfolgt. Und dass die Ikone mich auserwählt haben soll. Oder dass du mit Wölfen sprichst. Ich sperre mich innerlich dagegen zu glauben, dass wir bei dieser Sache den Tod finden könnten.«
»Wenn ich sterben muss, dann lieber mit dir als mit irgendeiner anderen Frau.« Er presste seinen Mund tröstlich warm auf ihre bebenden Lippen, ehe er mit fedrigen Küssen ihre tränenfeuchten Wangen trocknete.
»Ich muss mir mal die Nase putzen.«
Er wollte sie nach allen Regeln der Kunst verführen - und sie musste sich die Nase putzen.
Okay, okay. Es war heller Tag; sie brauchte mehr
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