Nachtschwarze Küsse - Scent of Darkness (Darkness Chosen 01)
Er setzte sich vor den Stamm des Baumes und schlug die Beine übereinander. »Die Varinskis halten sich alte Frauen, die kochen und sich um die Babys kümmern. Grundsätzlich werden die Jungen jedoch ähnlich wie Hundewelpen gehalten, sie rangeln miteinander, probieren ihre Zähnchen aneinander aus. Sie trainieren, sie jagen, sie kämpfen gegen sich und die Welt, und die dominanten Söhne bekommen den Namen Konstantine.«
»Dein Vater …«
»Mein Vater heißt Konstantine, ja.« Jasha nahm einen weiteren Bissen.
»Am Telefon ist er immer sooo nett.« Ann hatte spontan die tiefe, sonore Stimme im Ohr, die immer zu Scherzen aufgelegt schien. Dauernd fragte er sie, ob sie nicht endlich seinen Sohn heiraten wollte. »Er bringt mich zum Lachen. Und du
behauptest, er ist der Anführer der Familie. Du meinst, dass er Leute umbrachte? Frauen vergewaltigte?«
»Er ist bestimmt nicht stolz auf das, was er getan hat, aber er kann seine Vergangenheit nicht ungeschehen machen.« Jasha rieb sich mit der Hand über seine stoppelige Wange. »Er weiß das. Er weiß um den Preis, den er zu zahlen hat, wenn er stirbt, bevor er geläutert ist.«
Ann starrte Jasha vernichtend an. »Und du hast mir weisgemacht, er vergöttert deine Mutter!«
Jasha ließ die Bombe platzen. »Er stahl sie aus ihrem Clan, seitdem sind sie auf der Flucht.«
Ann klappte vor Empörung die Kinnlade herunter. »Dein Vater hat deine Mutter gestohlen ?«
»Sie war sechzehn.«
»Sechzehn! Und wie alt war er?«
»Es gibt keine Dokumente, die sein Geburtsdatum eindeutig belegen, aber wir denken so um die dreiunddreißig.«
Ann hatte eigentlich geglaubt, den schlimmsten Teil der Geschichte bereits erfahren zu haben. Und jetzt kam es noch dicker. »Das arme Mädchen!«
»Lern meine Mutter erst mal kennen, bevor du so was sagst. Es fehlte nicht viel, und das arme Mädchen hätte ihn eiskalt abgemurkst. Ach, übrigens, meine Mutter ist bloß einen Meter fünfundfünfzig groß und wiegt fünfundvierzig Kilo, und mein Vater ist ein wahrer Fleischberg.« Jasha grinste. »Sie hat ihm die Flötentöne beigebracht.«
»Ach, wirklich?« Ann grinste zurück und entspannte sich merklich. »Klingt spannend.«
»Sie wird bestimmt irgendwann davon anfangen. Als er von ihr verlangte, sie solle ihm Essen kochen, schleuderte sie ihm einen Topf kochendes Wasser ins Gesicht. Als er losbrüllte und sie packen wollte, ist sie mit Stricknadeln auf ihn losgegangen. Wenn sie die Geschichte zum Besten gibt, bekommt Papa jedes
Mal rote Ohren. Dann flüstert er Firebird zu, sie soll ihrer Mom gut zuhören.«
»Und nachdem ordentlich die Fetzen geflogen waren, verliebten sie sich ineinander? Ich meine … ich vermute mal, sie sind doch verliebt, oder?«
»Wahnsinnig verliebt. Sie … ich glaube, sie himmelt ihn an.« Er blickte abwesend auf den Brotkanten in seiner Hand. »Und für ihn ist sie wie ein Stern, der vom Himmel fiel … ein seltener Glücksgriff.«
Ann stockte der Atem. Sie wünschte sich, Jasha würde es bei ihr ähnlich gehen.
Aber statt eines Sterns sah er in ihr eine Frau. Eine Frau, die er begehrte, eine Frau, die er besitzen musste. Aus jeder seiner Gesten sprachen seine Intentionen und Obsessionen.
Nachdem sie sich von dem ersten Schock erholt hatte, dass er sich in einen Wolf verwandeln konnte, hatte sie zwischen Unglauben und Fassungslosigkeit geschwankt. Irgendeine bohrende Neugier - oder war es nackter Selbstschutz? - hatte sie zu der Frage nach dem Teufelspakt bewogen.
Die Frage hätte sie sich schenken können! Jasha war ein Dämon, der einer langen Linie von Dämonen entsprang. Solange sie bei ihm war, würde er für sie sorgen und sie beschützen.
Andererseits arbeitete sie seit vier Jahren für ihn, sie hatte heimlich für ihn geschwärmt, ihn genauestens beobachtet. Und wusste ihn bestimmt realistisch einzuschätzen. Was machte es da, dass sie seine Stimmungen nicht witterte? Sie kannte seine Launen einfach.
Er liebte die Jagd. Liebte es, seine Beute zu hetzen. Er liebte den Wald, dunkle mondlose Nächte und strahlend helle Tage. Er war dazu ausersehen, den Varinski in eine Falle zu locken.
Und er verfolgte sie nicht minder tückisch.
Mochte er seine abgründigen Absichten noch so geschickt
verschleiern, Ann schwante, was er wollte und was er vorhatte.
»Meine Eltern haben sich nie detailliert dazu geäußert, von wegen Liebe und so. Ich glaube, sie hatten eine Reihe temperamentvoller Debatten, die irgendwann im Bett endeten.« Er beobachtete
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