Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
ich konnte nichts erkennen.
Plötzlich setzte mein Herz aus. Aus dem Augenwinkel sah ich etwas Großes auf den Weg huschen. Dann rannte ich los.
Panik brandete in einer Woge aus Adrenalin durch mich hindurch, und ich lief, wie ich noch nie zuvor gelaufen war. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und versuchte nur, einen Fuß vor den anderen zu setzen und dabei nicht über die Enden meines flatternden Schals zu stolpern. Irgendwie gelang es mir, ihn mir vom Hals zu reißen und ihn auf den Weg gleiten zu lassen. Doch da nahm ich wieder einen Schatten wahr, der auf die Straße glitt, nur diesmal vor mir.
»Verdammt!«, dachte ich und hechtete vom Weg. Ein kleiner Bereich meines Gehirns war sich darüber im Klaren, dass es eine verdammt schlechte Idee war, den Weg zu verlassen, aber meine restlichen grauen Zellen wollten einfach nur so viel Abstand wie irgend möglich von dem bedrohlichen Schatten gewinnen.
Ich wusste, ich bewegte mich in Richtung Strand, und
ich wusste auch, dass ich in Sicherheit sein würde, falls ich das Wasser erreichte. Dieser Gedanke machte mir Mut, und meine Schritte wurden entschlossener. Niemand würde mir ins Wasser folgen können, aber wenn ich den Angreifer zu mir nach Hause lockte, was würde mein Vater schon großartig tun können, um uns zu verteidigen? Wir hatten keine Waffe im Haus, und mein Vater war zu schwach, um es mit irgendjemandem aufzunehmen. Also blieb mir nur der Strand. Das war auf jeden Fall besser als das, was mich da verfolgte, zu den Resten meiner Familie zu lotsen.
Ich stolperte, fluchte, konnte mich gerade noch fangen. Lautes Rascheln, das aus dem Wald hinter mir drang, sagte mir, dass ich noch immer verfolgt wurde. Doch mein Verfolger holte nicht auf, und das beunruhigte mich etwas. Abgesehen vom Schwimmen war ich nämlich eher träge als schnell. Womöglich könnte ich gerade noch ein dreijähriges Kind abhängen, aber sonst…
Ich scherte nach links aus. Das war der kürzeste Weg zum Strand und um zu entkommen. Ich witterte schon den Geruch des Meeres, der mir den Weg ins sichere Wasser wies.
Aber da nahm ich wieder einen dunklen Schatten zu meiner Linken wahr und musste nach rechts ausweichen. Eine Sekunde lang erhaschte ich einen Blick auf weiße Augäpfel und aufblitzende Zähne. Was auch immer mich da jagte, es musste sich um irgendein Tier handeln.
Auch wenn es mich unter den gegebenen Umständen nicht direkt erleichterte, kam dennoch irgendwo in meinem Gehirn die Information an, dass das, was mich da verfolgte, unmöglich der Mörder von Peter gewesen sein
konnte. Zähnefletschende Bestien schlugen ihren Opfern keinen Stein über den Schädel und stopften sie dann in den Kofferraum eines Autos, um die Leiche im Meer verschwinden zu lassen.
Aber der Gedanke wurde bald von der aufwallenden Erschöpfung verdrängt, die mich zu lähmen begann. Der erste Adrenalinstoß war verflogen, und meine Lunge und die Beine schmerzten bereits von der Verausgabung. Im Wasser hatte ich zwar eine unglaubliche Ausdauer, aber an Land war ich kaum flinker als ein durchschnittliches Meerschweinchen. Mein Verfolger hätte mich eigentlich schon längst ganz lässig einholen können. Anscheinend wollte er mich gar nicht erwischen … aber was dann?
Ich versuchte erneut, einen Haken nach links zu schlagen. Die salzige Luft, die von dort herüberwehte, verhieß mir Sicherheit. Aber wieder drängte mich der dunkle Schatten meines Verfolgers nach rechts ab, und meine schlimmste Befürchtung bewahrheitete sich.
Das Ding trieb mich vor sich her.
Was es auch immer war, es jagte mich dorthin, wo es mich haben wollte, wie ein verdammtes Schaf.
Mittlerweile tat mir alles weh, es war ein Wunder, dass ich überhaupt so lange durchhielt. Nur dieser huschende dunkle Schatten ließ meine Beine weiterlaufen. Aber meine Kräfte verließen mich, ich wurde immer langsamer und begann darüber nachzudenken, ob ich nicht lieber stehen bleiben und meinem Verfolger die Stirn bieten sollte.
Aber dann wurde mir klar, wo ich mich mittlerweile befand: gleich hinter meiner geheimen Bucht. Sie war nur durch den Wald auf der Seite oder übers Meer zu erreichen.
Abgesehen von einem schmalen Streifen Strand und einer engen Bresche dorthin war sie völlig von Felswänden umgeben. Wenn ich es irgendwie zu dieser Bucht hinunter schaffen könnte …
Ich mobilisierte meine letzten Kraftreserven, um den Durchgang zu erreichen. Wenn ich Glück hatte, kannte mein Verfolger die Bresche in den Felsen
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