Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
beipflichtete und die junge Zwergin, die aussah wie eine alte Dame, mit dem attraktiven Vampir flirtete, und musste grinsen.
»Ich bin fast so etwas wie normal«, fuhr es mir bei ihrem Anblick durch den Kopf, und Hoffnung machte sich breit an dem dunklen Fleck in mir, der einsam war und es satthatte, sich als Außenseiter seines eigenen Lebens zu fühlen. »Verdammt! Verglichen mit ihnen bin ich ja schon fast langweilig normal …«
Jemand berührte meine Hand. Es war Marcus, der mir einen Fünf-Dollar-Schein hinhielt. »Wieso suchst du dir nicht ein paar Lieder von der Jukebox aus?«, schlug er vor.
Lächelnd nahm ich das Geld. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Marcus mich mit diesem Trick nur loswerden wollte, ich nahm an, er ahnte einfach, wie verloren ich mir bei ihrem Gespräch vorkommen musste.
»Dann wollen wir mal«, sagte ich. »Danke.«
Er lächelte zurück, und ich sprang von meinem Barhocker. Die Jukebox stand an der Wand hinter uns, und ich wusste aus Erfahrung, dass sie eine ziemlich gute Musikauswahl umfasste, zumindest für meinen Geschmack. Es gab alle typischen Partyhits von Bands wie Aerosmith oder AC/DC und auch immer viele aktuelle Hits, die gerade im Radio auf und ab liefen. Außerdem gab es eine Reihe von
Songs, die zwar weniger bekannt waren, die ich aber sehr gerne mochte.
Für fünf Dollar konnte man sich hier im Schweinestall zehn Songs aussuchen, und ich kapitulierte fast vor der großen Auswahl. Es waren so viele Lieder, und schließlich würde ich mit meiner Auswahl für die nächste halbe Stunde die Bar beschallen.
»Auf in den Kampf, Torero«, sprach ich mir selbst Mut zu und nahm die Herausforderung damit feierlich an.
Ich versuchte, eine Auswahl zu treffen, die jedes Genre berücksichtigte und zwischen schnellen und langsamen Stücken abwechselte. »Wie eine gute Mixkassette«, dachte ich, auch wenn heutzutage niemand mehr Mixtapes machte. Auf jeden Fall schmuggelte ich ein paar meiner Lieblingssongs von den Indigo Girls, von David Gray und R.E.M. hinein.
Ich brauchte ungefähr zehn Minuten, um meine Auswahl zu treffen, und als ich an meinen Platz zurückkam, unterbrachen die anderen ihr Gespräch. Ryu legte seine Hand an meine Taille, um mir auf den Barhocker zu helfen, was vollkommen überflüssig war und total sexy. Genau in diesem Moment ertönte das erste Lied aus den Lautsprechern der Jukebox: Great White mit »Once Bitten Twice Shy«.
»Ich glaub’s nicht, dass du ausgerechnet diesen Song ausgesucht hast!«, rief er lachend.
»Es ist eines meiner absoluten Lieblingslieder, und außerdem fand ich es ziemlich passend. Und wenn ich noch mehr davon trinke«, sagte ich und hielt mein Champagnerglas hoch, »dann kommst du noch in den Genuss meiner legendären Luftgitarren-Showeinlage.«
Ryu machte ein Gesicht wie die Grinsekatze. »Garçon!«, rief er, wobei er einen Finger in die Luft streckte. Und Marcus war so freundlich, eine weitere Flasche Prickelbrause zu bringen.
Ich wollte protestieren, aber Ryu winkte entschieden ab. »Ist doch ein schöner Abend«, sagte er. »Und du kannst einen schönen Abend gebrauchen. Man sieht dir ja schon von weitem an, dass du so angespannt bist wie eine Gitarrensaite.«
Also nahm ich, ohne zu murren, ein weiteres Glas in Empfang, und wir prosteten uns erneut zu. »Auf das Schweinestall «, sagte er und zwinkerte mir wieder auf diese verflixt anziehende Art zu. »Auf das Schweinestall «, stimmte ich ein, und dann tranken wir beide einen kräftigen Schluck.
Wir saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Ich genoss die Musik und den prickelnden Geschmack meines dritten Glases Champagner überhaupt. An was Ryu dachte, wusste ich nicht. Dann verwickelte Miss Carol mich in ein Gespräch über den Buchladen. Wir unterhielten uns darüber, wie großartig Grizzie und Tracy waren und welche Bücher sie demnächst bei uns bestellen wollte. Sie empfahl mir ein paar Titel, die ich aber schon im meiner Schmuddelschublade hortete - Grizzie hatte sie mir geschenkt. Ich versprach ihr, sie zu lesen, hatte meine Finger aber dabei verkreuzt. Ryu plauderte mit Marcus, nachdem Sarah ihn hinter der Bar abgelöst hatte, und ich glaube, sie sprachen über mich, denn sie schauten immer wieder herüber, um sicherzugehen, dass Miss Carol meine Aufmerksamkeit hatte.
Als dann ein weiteres meiner Lieblingslieder, »Romeo and Juliet« von den Killers, ertönte, erhob sich Russ und
streckte mir einladend die Hand entgegen. »Tanzt du mit einem alten Hund wie
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