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Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising

Titel: Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Peeler
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großes rundes Gesicht und lustige Augen, die hinter flaschenbodendicken Brillengläsern schwammen. Außerdem war er kahl wie ein Ei.
    Miss Carol war eine meiner liebsten Persönlichkeiten in Rockabill, gleich nach Grizzie. Sie war bestimmt mindestens siebzig und irgendwie immer schon alt gewesen. Obwohl sie ihr ganzes Leben hier in Rockabill gelebt hatte, sprach sie mit starkem Südstaatenakzent und trug immer grässliche pastellfarbene Hosenanzüge mit dazu passenden
Schuhen, Hüten und Handschuhen. Ich hätte nie gedacht, dass sie ins Schweinestall kam.
    Der mir unbekannte Mann war sehr schlank und sah komisch langgezogen aus, als käme er direkt von der Streckbank. Er schenkte mir ein verwässertes Lächeln aus trüben, unsteten Augen. Er wirkte wie ein Greis, obwohl er nicht älter als fünfundfünfzig sein konnte.
    Alle drei begrüßten mich wie eine alte Freundin. Dann hörte ich das Ploppen einer Champagnerflasche, ein eher ungewöhnliches Geräusch für das Schweinestall . Marcus und Sarah schenkten die Gläser ein und verteilten sie an unsere kleine Gruppe. Ich fragte mich, was sie wohl zu feiern hatten. Da erhob Sarah ihr Glas und verkündete: »Auf Jane! Willkommen in der Familie!« Alle stießen miteinander an, während ich erstaunt und wie versteinert dasaß. Ryu stieß mit seinem Glas an meines und flüsterte mir ins Ohr: »Du solltest etwas sagen.« Seine Lippen streiften mein Ohrläppchen, und ich erhob mein Glas und sagte: »Vielen Dank! Das hatte ich wirklich nicht erwartet. Ich, äh, das weiß ich wirklich zu schätzen.« Unbeholfen prostete ich ihnen mit meiner Sektflöte zu und hob die prickelnde Edelbrause an die Lippen. Es schmeckte köstlich. Ich hatte noch nie zuvor Champagner getrunken.
    Alle anderen nippten mit mir an ihren Gläsern, und dann gab Miss Carol einen kleinen Jauchzer von sich und rief: »Heißt das jetzt, ich bekomme in Zukunft Ermäßigung bei euch?« Ich musste so sehr lachen, dass mir der Champagner beinahe zur Nase herausschoss. Miss Carol war eine unserer besten Kundinnen, aber sie las die schmutzigsten Bücher, die man sich überhaupt vorstellen konnte. Sie bestellte
sie immer extra, und wir mussten sie eingewickelt hinter der Ladentheke aufbewahren, bis sie sie abholen kam, so versaut waren sie.
    Alle anderen mussten ebenfalls lachen, und Sarah und Marcus gingen zurück an die Arbeit. Doch bevor sie sich wieder um ihre anderen Gäste kümmerten, warfen mir beide noch ein herzliches Lächeln zu. Niemand der Anwesenden hatte, soweit ich es überblickte, unserer kleinen Feier auch nur die geringste Aufmerksamkeit geschenkt.
    Ryu schenkte mir nach, und ich nutzte die Gelegenheit, ihm zuzuflüstern: »Was für Wesen sind das denn alle?«
    Er füllte auch sein eigenes Glas und antwortete: »Marcus und Sarah sind Nahual wie Amy. Heutzutage sind sie die am weitesten verbreitete Art von übernatürlichen Wesen. Die Gründe dafür sind ziemlich kompliziert. Das zu erklären würde jetzt zu lange dauern. Und Miss Carol ist übrigens Nells Nichte, also auch eine Zwergin.«
    »Warte«, unterbrach ich ihn. »Sie sieht aber nicht aus wie ein Zwerg. Und sie hat ihr ganzes Leben in Rockabill verbracht.«
    »Sie ist noch ziemlich jung für eine Zwergin«, erklärte er mir. »Erst wenn sie ihre volle Kraft entfaltet hat, schrumpft sie wie Nell. Dann muss sie sich auch ihr eigenes Territorium suchen, denn zwei ausgewachsene Zwerge können sich nicht das gleiche Gebiet teilen. Aber bis es so weit ist, steht sie unter Nells Schutz. Und ich wette, niemand hier in Rockabill kann sich an eine Zeit erinnern, in der Miss Carol jung war.«
    »Ach«, sagte ich, denn ich hatte den Wink verstanden, »sie umgibt sich also auch mit einer Aura, oder?«

    »Die ganze Zeit über.«
    »Und was ist mit Gus?«, wollte ich wissen. »Alle in Rockabill denken, er wäre ein bisschen, äh … langsam.«
    Ryu grinste. »Gus ist nicht langsam. Er ist ein Stein.«
    Ich hatte nicht das Gefühl, dass er einen dummen Witz machte, also wartete ich gespannt auf seine Erklärung.
    »Gus ist ein Steingeist. Irgendwo in der Nähe von Rockabill befindet sich ein Felsen, an den er gebunden ist. Die meiste Zeit seines Lebens verbringt er in diesem Stein, nur alle paar hundert Jahre verlässt er ihn für ein paar Jahrzehnte, um eine Partnerin zu finden. Steingeister sind unglaublich selten, also tendieren seine Chancen dafür leider gegen null. Aber er versucht es trotzdem.«
    »Und in der Zwischenzeit packt er

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