Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
drehte mich um und sah, dass Ryu mit meinem Champagnerglas hinter mir stand. Ich nahm einen dankbaren Schluck, denn Swing tanzen machte durstig. Dann nahm er mir das Glas wieder ab, stellte es auf die Theke und streckte mir einladend die Hand entgegen.
»Stehe ich auf deiner Tanzkarte?«, fragte er verschmitzt.
»Hmm, lass mich mal sehen«, neckte ich ihn. Ich glaube, ich war schon etwas betrunken, denn Flirten fiel mir plötzlich so leicht wie nie.
»Und?« Er hob eine seiner dunklen Brauen und sah mich aus seinen goldbraunen Augen fragend an. Mein Herz setzte einen Schlag lang aus.
»Ich denke, ich kann dich noch irgendwie dazwischenschieben. Für einen kleinen Tanz.«
Er machte einen Schritt auf mich zu, und plötzlich lag ich in seinen Armen. »Einfach so«, dachte ich und war überrascht von der Leichtigkeit, mit der es geschah. Der Champagner schien meine Hemmungen bereits im Schwitzkasten zu haben.
Das Stück, das gerade lief, war eines der heißesten Lieder, die man sich vorstellen konnte: David Grays »Debauchery« aus seinem Album A Century Ends . Es handelt von einem ziemlich betrunkenen Paar, das sich auf einer Fähre trifft und dann zu ihm geht, um weiterzutrinken und vor seinem Gaskaminofen Sex zu haben. Das mag zwar schrecklich klingen, aber irgendwie ist es auch witzig und erotisch zugleich. Außerdem knurrt David an einer Stelle wie ein Tier, und ich bekomme jedes Mal weiche Knie, wenn ich das höre.
Ryu und ich tanzten wie Teenager auf einem Schulball. Ich hatte meine Arme um seine Schultern geschlungen und er seine um meine Taille. Ich konnte jeden Zentimeter seines Körpers so intensiv an meinem spüren, als wäre er elektrisch geladen.
Eines allerdings konnte ich nicht fühlen, seine übersinnlichen
Kräfte. Er umgab uns nicht mehr mit seiner Aura. Stattdessen tanzte er vor aller Augen mit mir. Dass es ihm nichts ausmachte, sich mit der Dorfhexe zu zeigen, war wie Balsam für mich. Deshalb warnte ich ihn auch nicht davor, dass dies wahrscheinlich keine so gute Idee war, wenn man bedachte, dass Stuart sich auch hier herumtrieb.
Ryu hob amüsiert die Brauen, als David Gray davon sang, wie er seine neue Freundin ihrer Kleider entledigt. Und als David sie mit Unmengen von Wein, dem klassischen Verführungsmittel, ermunterte, lachte er.
»Hübsche Musikauswahl«, sagte er und zog mich noch ein bisschen fester an sich.
»Ja, mir gefällt das Lied. Sehr.« Aber hallo, und wie es mir gefiel …
Ich legte meine Wange an seine Brust, damit ich ihm nicht in die Augen sehen musste. In sein schönes, schönes Gesicht.
Aber als ich sein Herz genauso laut klopfen hörte wie meines, hob ich doch wieder den Kopf. Der Klang seines Herzschlags hatte nämlich nicht gerade dazu beigetragen, den wilden Tanz meiner Hormone zu beruhigen.
Ich versuchte verzweifelt, mir ein Gesprächsthema aus dem Ärmel zu schütteln. Da gab es tatsächlich eine Sache, die mich beschäftigte …
»Ryu?«
»Ja?«, murmelte er. Seine Lippen berührten mein Ohrläppchen.
»Du hast gesagt, dass du … dass Vampire, Baobhan Sith meine ich, sich von Gefühlen wie Angst oder Lust nähren. Heißt das auch, dass ihr jagt, ich meine wirklich Jagd macht auf Menschen, auch wenn ihr sie dann nicht tötet?«
»Ha, was sagt ihr dazu, Hormone!«, dachte ich triumphierend. Sich Ryu vorzustellen, wie er verängstigte Frauen durch nächtliche Straßen verfolgte, war besser als eine kalte Dusche.
»Manche von uns tun das«, gab er zu. »Aber das Blut schmeckt immer nach den Gefühlen, die der Mensch gerade hat. Also ist es eine Frage der Vorlieben. Wie, ob jemand lieber Rotwein oder Weißwein trinkt. Ich für meinen Teil mag den Geschmack von Angst nicht.«
Ich dachte darüber nach, was dies im Klartext bedeutete, und meine Knie wurden ganz weich. Und David Gray hatte noch nicht mal geknurrt. Dann ist es also der Geschmack der Lust, den er mag , jubelte meine Libido.
Ryus Hand rutschte etwas tiefer und streichelte mir sanft über den unteren Rücken. Er massierte mich leicht und drückte meine Hüften gleichzeitig noch näher an sich.
Das Lied passte zu dem, was er tat, denn David Gray bat seine Partnerin auch gerade, näher zu kommen. Und dann knurrte David, und das verfehlte bei mir nie seine Wirkung.
Mit der anderen Hand schob mir Ryu eine Haarsträhne aus dem Gesicht und strich mir über die Wange. Dann glitt sie in meinen Nacken, und er neigte meinen Kopf leicht nach hinten, so dass sich mein Gesicht dem seinen zuwandte
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