Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising
traf ich auf eine kleine Lichtung, auf der Peters winziger Toyota stand. Oder vielmehr das, was noch von ihm übrig war.
Nell saß am Boden und sah wirklich aus wie ein überdimensionaler Gartenzwerg. Trill, in ihrer Pferdegestalt, lag ausgestreckt neben ihr und hatte ihren Kopf auf ihren Schoß gelegt. Nell war dabei, Trills Seetangmähne zu dicken Zöpfen zu flechten. Neben ihnen saß Anyan, der mich wohl schon gewittert hatte, denn er hielt mit gespitzten Ohren und mit freudig hechelnder Zunge nach mir Ausschau. Ich winkte ihnen zu, und Nell und Trill lächelten mir zur Begrüßung freundlich zu. Ich hatte noch nie zuvor ein Pony lächeln sehen. Es sah schrecklich aus.
Anyan wedelte mit dem Schwanz. Er war aufgesprungen, als er mich entdeckt hatte, und kam nun freudig auf mich zu. Ich kraulte ihn hinter den Ohren und gurrte: »Ja, so ein gutes Hundi!« in Babysprache. Ich liebte Hunde, und Anyan war ziemlich viel Hund auf einmal. Da ich diesmal nicht in Panik war, fiel mir auf, dass er zwar genauso groß war, wie ich ihn in Erinnerung hatte, aber bei weitem nicht so bedrohlich aussah. Ich war mir zwar sicher, dass er recht beängstigend wirken konnte, aber im Moment sah er nicht gerade wie ein Höllenhund aus. Das kühle Licht, das die leuchtenden Kugeln ausstrahlten, die überall in der Schlucht verteilt lagen, ließ mich erkennen, dass Anyans Fell gar nicht so pechschwarz war, sondern eher rotbraun wie bei einem Wolf. Er hatte auch ungewöhnliche Augen, die in diesem Licht dunkelgrau wirkten. »Sie sehen seltsam menschlich aus«, dachte ich, als Anyan anfing, mir die Wange zu lecken.
Aber unser trauter Moment wurde von Ryus Ankunft unterbrochen. Als Anyan sah, wer da kam, zog er sich von mir zurück, ließ sich nieder und fixierte Ryu aufmerksam.
»Guten Abend, Nell«, sagte Ryu und machte eine leichte Verbeugung vor der Zwergin. »Schön dich zu sehen, Trill«, fügte er dann mit derselben höflichen Verbeugung hinzu. Die beiden erwiderten seinen Gruß mit einem wohlwollenden Nicken.
Dann wandte sich Ryu Anyan und mir zu. »Anyan«, sagte er reserviert.
Ich kicherte. Das war die förmlichste Begegnung mit einem Hund, die ich je erlebt hatte.
Aber mein Kichern verstummte, als Anyan mit einer Stimme, die klang, als würden Kieselsteine auf Schotter geschüttet werden, knurrte: »Ryu.«
Wenn er einen Sombrero aufgesetzt und »La Cucaracha« gesungen hätte, während er einen flotten Stepptanz aufs Parkett legt, wäre ich nicht schockierter gewesen.
»Lange nicht gesehen«, sagte Ryu unverbindlich.
»Stimmt«, erwiderte Anyan genauso unbeeindruckt. Dann machte er eine Kopfbewegung zu mir herüber. »Warum hast du Jane hergebracht?«, wollte er wissen. »Diese Ereignisse betreffen sie nicht.«
»Warum denn nicht?«, entgegnete Ryu leicht gereizt. Ich spürte, dass die beiden schon eine Vorgeschichte hatten. »Sie ist eine von uns, also betrifft es sie sehr wohl.«
Anyan starrte Ryu finster an. »Du konntest Geschäft und Privates noch nie auseinanderhalten«, stellte er verächtlich fest, und seine raue Stimme verlieh dem Vorwurf eine scharfe Note.
Während dieser Unterhaltung starrte ich die beiden bloß mit offenem Mund an. Ein Teil von mir registrierte durchaus, dass ich gekränkt sein müsste, weil Anyan mich nicht als eine von ihnen anerkannte. Aber ich war viel zu überrascht über die Tatsache, dass hier ein Hund sprach, um mich auf irgendetwas anderes konzentrieren zu können. Schließlich beendete Ryu die Meinungsverschiedenheit, indem er das Thema wechselte und sagte: »Anyan, gib einfach das Auto frei, damit wir weiterkommen. Es wird nicht lange dauern, und dann hast du uns wieder vom Hals.«
Anyans Nackenhaare sträubten sich fast unmerklich für einen kurzen Moment, und ich hörte ein leises Ploppen. Etwas, das aussah wie ein Kraftfeld aus Star Trek , leuchtete kurz auf und verschwand. Plötzlich lag der Geruch von verkohltem Gummi in der Luft. Das war wohl der Schutzzauber, von dem Ryu vorher gesprochen hatte. Aber jetzt sah es so aus, als habe Anyan ihn bewirkt und nicht Nell. Ich hatte ja vor kurzem schon erlebt, dass er meine Verletzung an der Stirn geheilt hatte, und nun verzauberte er auch noch Autos. Er war sicher Klassenbester in seiner Art Schule gewesen, dachte ich, während ich mich gleichzeitig ermahnte, böse auf ihn zu sein. Ich starrte den Hund an. Doch er sah mich nur verlegen an, als er wieder auf mich zukam.
Ryu fing mit dem vorderen Teil des Wagens an. Er öffnete die
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