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Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising

Titel: Nachtstürme - Peeler, N: Nachtstürme - Tempest Rising Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Peeler
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noch komplizierter. Ich hatte schon so viele Geheimnisse in meinem erbärmlich leeren Leben, dass ich wirklich nicht noch mehr gebrauchen konnte. Außerdem hätte es mir wirklich gutgetan, mit Tracy über die ganze Situation reden zu können. Bei Tageslicht betrachtet, erschien mir der gestrige Abend durch Stuarts Angriff viel weniger ruiniert. Stattdessen erinnerte ich mich nun hauptsächlich an die guten Momente: als ich mit Ryu tanzte, wie er meine Hand hielt, wie wir uns in den Armen lagen und er in mein Ohr flüsterte, an das Gefühl von Ryus Lippen auf meinen … und nicht zu vergessen, dass mein Thunfischsandwich ganz besonders lecker gewesen war.
    Allerdings half es nicht gerade, dass manche der Kunden, die sich die Zeitung oder einen Kaffee holten, mich giftig ansahen, weil sie von meinem Abendessen mit Ryu und dem Zusammenstoß mit Stuart gehört oder es sogar selbst miterlebt hatten. Kleinstädte wie Rockabill hatten ein gutes Gedächtnis. Auch wenn Jason schon vor acht Jahren gestorben war, in der kollektiven Erinnerung der Dorfbewohner war diese Tragödie erst vor kurzem passiert.

    Glücklicherweise bekamen wir an diesem Morgen eine große Lieferung, so dass wir sehr beschäftigt waren. Tracy und ich wechselten uns dabei ab, uns um die Kundschaft zu kümmern und Regale einzuräumen. So verging der Tag wie im Flug. Ich ging eine Viertelstunde vor Ladenschluss nach hinten, um mich umzuziehen, was Tracy lediglich mit einem erstaunten Stirnrunzeln kommentierte. Normalerweise zog ich mich nach der Arbeit nie um, es sei denn, ich ging noch mit den beiden aus. Aber ich überließ es lieber Ryu, ihr das zu erklären.
    Als ich erfrischt wieder aus dem Bad kam, in anderen Klamotten, gekämmt und mit etwas Make-up, stand Ryu bereits im Laden und lullte Tracy mit dem Märchen unserer alten Freundschaft ein. Sie nickte beipflichtend. Aber da sie nicht bi war wie ihre Lebenspartnerin Grizzie, war sie auch nur halb so beeindruckt von Ryus gutem Aussehen.
    Ich beobachtete ihr Gespräch. Ich konnte seine Aura spüren und bekam eine regelrechte Gänsehaut. Es war, als hätte jemand in einem bereits kühlen Raum einen Ventilator angemacht.
    »Für ihn ist alles so leicht«, dachte ich. Er manipulierte die Leute ohne Anstrengung. »Sicher empfinden er und seinesgleichen schnell Verachtung für uns Menschen …«
    Dieser Gedanke beunruhigte mich. Genauso beunruhigend war, dass ich gerade »uns Menschen« gedacht hatte. Ich war mir gar nicht mehr so sicher, was ich wirklich war. War ich nun ein Mensch, oder zählte ich eher zu den übersinnlichen Wesen? Oder war ich vielleicht beides oder keins von beiden? Die Übersinnlichen, die ich bisher getroffen hatte, hatten mich einen Halbling genannt, aber das erschien
mir kein besonders neutrales Wort zu sein, etwa wie der Begriff »Mulatte« aus den dunklen Tagen der Sklaverei.
    Je mehr ich über diese Welt erfuhr, umso mehr Fragen hatte ich.
    Zwei neugierig auf mich gerichtete Augenpaare rissen mich aus meinen Überlegungen. Tracy und Ryu warteten auf die Antwort auf eine Frage, die ich nicht einmal gehört hatte. »Entschuldigung, ich war in Gedanken«, sagte ich.
    »Ich habe gefragt, was ihr zwei heute Abend vorhabt. Schließlich wart ihr schon in unserem einzigen Restaurant und der einzigen Bar. Fahrt ihr rüber nach Eastport?«
    Außer, dass ich mir Sachen zum Umziehen mitgebracht hatte, hatte ich mir über den heutigen Abend noch keine Gedanken gemacht. Ich wusste, dass Ryu nach Peters Auto suchen wollte, aber das konnte ich Tracy natürlich nicht erzählen. Also murmelte ich etwas, dass wir das spontan entscheiden würden, was ihr auch als Antwort zu genügen schien.
    »Na, dann los. Habt einen schönen Abend. Ich sperre noch ab.« Tracy wirkte so offensichtlich erfreut darüber, dass ich endlich einmal eine Verabredung hatte, es war fast ein wenig demütigend.
    Ich wusste ja, dass ich in dieser Hinsicht ziemlich zu bemitleiden war, aber war es wirklich so schlimm?
    »Tja, offenbar schon«, erwiderte meine innere Stimme gehässig.
    »Leck mich!«, dachte ich. Ich musste wirklich aufhören, mit mir selber zu sprechen.
    Ryu sparte sich seine richtige Begrüßung auf, bis wir draußen bei seinem Auto angelangt waren. Eine Hand legte
er auf den Türgriff, mit der anderen strich er mir den Pony aus der Stirn. »Hallo«, sagte er zärtlich. »Wie fühlst du dich heute?«
    »Oh, ganz gut«, sagte ich und lief rot an. »Tut mir leid, dass ich gestern dann so niedergeschlagen war.

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