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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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kleine Hexe.“

Kapitel 9
    Die folgende Zeit verbrachte Kyrana größtenteils in Gesellschaft Merians. Aus ihrem Elternhaus holte sie einige persönliche Dinge ab, die ihr wichtig waren: Erinnerungsstücke an ihre Eltern und an ihre Kindheit, ihre Bücher und Pergamente und ihre Kleider. Dann verschloss sie das Häuschen sorgfältig und entfernte sich ohne einen Blick zurückzuwerfen. Nichts hielt sie hier mehr. Akash begleitete sie hinauf in die Hügel des Westens, wo nun ihr neues Zuhause war.
    In einer der Höhlen nahe dem Anwesen ließ er sich nieder und folgte ihr weiterhin, sobald sie einen Fuß vor die Tore setzte. Seine Treue war so groß, dass er Kyranas neue Daseins-Form ohne Knurren und Murren hinnahm. Zuerst beäugte Merian diese unzertrennliche Zweisamkeit argwöhnisch, doch mit der Zeit gewöhnte er sich daran und nahm den weißen Wolf als gegeben hin. Ihr Zimmer im ersten Stockwerk des Anwesens wurde Kyrana bald vertraut und sie fühlte sich wohl darin.
    Es war nahezu genauso groß wie es ihr gesamtes Elternhaus gewesen war. Die Möbel aus schwerem Eichenholz waren von einer schlichten Eleganz, ohne Pomp und Schnörkel, sodass sie sich schnell heimisch fühlte. Oft saß sie bis zum erwachenden Morgengrauen in einem Sessel am Fenster und las in einem der vielen Bücher, die sie sich auf Merians Anraten hin aus der Bibliothek des Hauses geholt hatte.
    Es gab so vieles, was sie über ihr neues Dasein erfahren und lernen musste! Da waren so grundsätzliche Dinge wie der Umstand, dass es überlebenswichtig war, die Sonne zu meiden. Es machte ihr nichts aus, denn sie war schon immer eine Nachtschwärmerin gewesen.
    Daher fiel es ihr leicht, sich umzustellen. Am Tage schlief sie in ihrem breiten Bett, während schwere Vorhänge das Licht der Sonne von ihr fernhielten. Und des Nachts wurde sie aktiv. Ganz wichtig war es, so hatte sie schnell erfahren müssen, den bohrenden Durst zu beherrschen, welchen sie ununterbrochen spürte. Anfangs konnte sie an fast nichts anderes mehr denken, als an das prickelnd warme Gefühl, das die Flüssigkeit - in ihrem ersten Kelch nach der Wandlung - in ihr hervorgerufen hatte. Merian erklärte ihr, dass es sich um das Lebenselixier der Menschen handelte – das von nun an ihre Hauptnahrung sein sollte.
    Zwar konnte sie auch normale Speisen und Getränke zu sich nehmen, doch von vielem wurde ihr einfach speiübel. Also lernte Kyrana, wie es am Geschicktesten zu bewerkstelligen war, die Menschen ihres Lebenssaftes zu berauben. Der einfachste und schnellste Weg war es, sich an sie heranzupirschen und ihnen hinterrücks in den Hals zu beißen – genau dort, wo unter der Haut die pulsierenden Adern zu erkennen waren.
    Schon konnte sie sich an herrlicher Wärme gütlich tun, die belebend und frisch ihre Kehle hinab rann. Dass ihre Opfer danach unbedingt getötet und verborgen werden mussten, empfand sie als nicht weiter tragisch. Sie hatte die Menschen nie gemocht, denn diese behandelten sie Zeit ihres Lebens ablehnend und von oben herab. Ein sauberer Genickbruch – und schon waren die Siedlungen um einen Beheimateten ärmer. Und das Geheimnis der Nachtwesen blieb gewahrt.
    *
    Merian war in der Tat ein geduldiger Lehrer. Mit viel Elan und noch mehr gutem Zuspruch bemühte er sich, Kyrana die hohe Kunst der Feuermagie nahezubringen. Dadurch, dass er sie 'neu geschaffen' hatte, war ihr diese, seine Fähigkeit, regelrecht in Fleisch und Blut übergegangen. Natürlich nahm sie seine Lehren an und brachte es auch, nach zähen Übungen und zahlreichen misslungenen Versuchen, zu ganz passablen Erfolgen. Doch insgeheim gehörte ihre Liebe den Schatten und der Dunkelheit. Jenes Pergament, welches sie seinerzeit von der Lichtung im Wald mitgenommen hatte, hatte einen Ehrenplatz auf ihrem Fenstersims.
    Oft strich sie zart darüber und spürte, wie die Magie prickelnd in ihren Fingerspitzen tanzte. Was ihr jedoch große Freude bereitete, sie gar in wahre Verzückung versetzte, war die Lehre der Gestaltwandlung. Merian kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, denn sie übte so unermüdlich, dass es ihm beinahe Angst machte. Auch diese Fähigkeit hatte er an sie weitergegeben. Er selbst konnte seine Gestalt wahrhaftig in einen Raben verwandeln. Doch Kyranas Liebe zu Akash ließ sie weit davon Abstand nehmen, aus sich ein krächzendes Federvieh werden zu lassen.
    Da sie es sich schon mal aussuchen konnte, wählte sie für sich die Gestalt eines Wolfes. Und so geschah es, dass es ihr nach
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