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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin
Autoren: Sabine Pagel
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„Bitte!“ Merians leises, freudloses Lachen klang viel zu laut in ihren Ohren wieder, während er ihre Hand fester griff und sie unbeirrt weiter hinein und durch den Raum zog. „So so, du hast es dir anders überlegt.“, wiederholte er spöttisch und öffnete dabei eine Tür, welche hinter einem schweren Vorhang verborgen war. „Als ob du eine Wahl hättest, Mensch. Oder ich.“
    „Ein Garten!“ Still und finster lag er vor ihnen, als sie durch eben jene Tür getreten waren. Kühle Nachtluft empfing sie und umschmeichelte beruhigend Kyranas erhitzte Haut. Ein erleichtertes, beinahe hysterisches Lachen entfloh ihr. „Ein Garten...“, bestätigte Merian trocken, derweil er stehenblieb und auf sie nieder sah. „Du liebst die Natur. Kelmar hat es mir erzählt“, fuhr er leiser fort, während er unverwandt forschend ihr Gesicht betrachtete. „Hier wird es leichter für dich sein.“
    Leichter? Beunruhigt zog Kyrana die Stirn kraus, denn das klang gerade so, als würde jenes Ritual einen unbekannten Schrecken bergen...
    Weiter zu grübeln kam sie nicht. Der Biss in die zarte Haut an ihrem Hals traf sie völlig unvorbereitet. Zu Tode erschrocken stieß sie einen spitzen Schrei aus und begann in Merians plötzlicher, harter Umarmung zu zappeln. Er hielt sie fest, so fest, dass ein Entkommen unmöglich war. „Nein! Nein, nein, nein! Bitte!“ Ihre verzweifelten Rufe verhallten ungehört, während der scharfe Schmerz unter Merians Zähnen mit brutaler Gewalt in ihr Hirn vordrang.
    „Hilfe!“ Keuchend setzte sie sich gegen ihn zur Wehr, schlug auf ihn ein, wohin sie gerade traf. Doch er ließ sie nicht entweichen, sondern zwang sie nur enger an sich heran. Heiße Wellen purer Pein schlugen über ihr zusammen und schienen sie fortzutragen. Unterstrichen wurden jene von schmatzenden Geräuschen. Überlaut und ekelhaft drangen sie an ihr Ohr. Ihr Herz raste schneller und schneller, begann zu stolpern.
    Schwindel erfasste sie, sodass sie aufhörte, um sich zu schlagen, und stattdessen Halt suchend die Hände in Merians Gewand krallte. „Bitte, bitte...“ Inzwischen konnte sie nur mehr wimmern. Schwäche hüllte sie ein, ganz so, als wollte sie sie wegtragen – hin zu einer gnädigen Ohnmacht, die alles vergessen machte. Sterben. Sie wird sterben, jetzt und hier. In den Armen eines Fremden. Man hat sie betrogen, belogen. Kelmar...Verräter.

Kapitel 8
    Eulenrufe weckten sie auf. Es klang so laut an ihre Ohren, als säße sie mitten in einem Nest. Mit geschlossenen Augen und matten, schweren Gliedern lauschte sie. Wo war sie und was war geschehen? Keinerlei Erinnerungen wollten sich einstellen; ihr Kopf schien vollkommen leer zu sein. Vorsichtig rührte sie einen ihrer Finger und spürte sofort, dass es sie Unmengen an Kraft kostete. Ihr Mund war ausgedorrt und fühlte sich an, als habe sie Metall gelutscht.
    Durst... Ein leises Ächzen entwich ihr und hallte sogleich in ihrem Kopf wider. Unter sich spürte sie einen harten Untergrund, welcher üppig nach Gras duftete. Lag sie auf einer Wiese? Und falls ja, wie war sie hierher gekommen? Ein träges Tasten mit kraftloser Hand bestätigte ihre Vermutung. „Wo...?“ Es war lediglich ein Krächzen, doch eine Antwort ließ nicht lange auf sich warten. „Der Garten. Erinnerst du dich?“
    Sie kannte die Stimme, doch ihr gelähmter Verstand weigerte sich, jene einem Gesicht zuzuordnen. „Vater?“ Wahrscheinlich befand sie sich im Reich der Götter und traf dort gerade auf ihre verstorbenen Eltern... „Mutter?“ Eine starke Hand umschloss ihre steifen Finger und drückte sie sachte. „Willkommen zurück, Kyrana“, erklang es durch den Schleier der Eulenrufe. „Öffne die Augen und sieh dich um.“
    Ihre Lider flatterten und waren schwer wie Blei, doch trotzdem versuchte sie, der Aufforderung Folge zu leisten. Jemand saß neben ihr und hielt ihre Hand. Es war ein Mann – aber nicht ihr Vater. „Merian...“ Nur sehr langsam tröpfelte es über ihre Lippen. „Bin ich tot?“ Mit einem leisen Lachen betrachtete er sie für einen Moment aus milden Augen. Dann antwortete er: „Man könnte sagen, es ist Ansichtssache. Leben und Tod sind miteinander verknüpft. Erinnerst du dich?“
    Mit ruhiger Bewegung zog er das Amulett aus ihrem Halsausschnitt und schloss ihre kraftlosen Finger darum. Erschrocken zuckte sie zusammen, als habe sie sich daran verbrannt. „Es...fühlt sich ganz warm an.“ „Das ist das Leben“, gab er beruhigend zurück und bedachte sie erneut
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