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Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Nachtwesen - Die Vollstreckerin

Titel: Nachtwesen - Die Vollstreckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Pagel
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zähen Studien und vielen Misserfolgen eines Nachts gelang! Unter Aufbringung all ihrer Konzentration verschwamm ihre Gestalt, zog sich zusammen und in die Länge – und manifestierte sich schließlich neu. Von dieser Nacht an war es keine Seltenheit, dass ein weißer und ein schwarzer Wolf mit weißem Streifen auf dem Rücken und glashellen Augen gemeinsam durch die Wälder streiften.
    Kyrana fühlte sich endlich frei und ihre Bindung an Akash wurde nur noch stärker. Stunde um Stunde durchstöberten sie zusammen das Unterholz oder lagen einfach dösend nebeneinander auf einer Lichtung.
    *
    „Du musst es wollen, kleine Hexe. Fühle es!“ Kelmar saß in einem Sessel seiner Bibliothek und hielt eine zappelnde Frau auf seinem Schoß fest. Schwarze Kerzen in hohen Ständern rundum beleuchteten die Szenerie und ließen gespenstische Schatten über Möbel, Wände und Decke tanzen - während jene unter Wimmern und Winden versuchte, Kyranas Händen zu entfliehen, die sich wieder und wieder nach ihr ausstreckten, um sie zu berühren. Sie ahnte bereits, dass sie hier lediglich das Versuchsobjekt gab und wohl nicht mit dem Leben davonkommen würde.
    „Sauge es aus ihr heraus. Du kannst es!“ Gleichbleibend ruhig und freundlich ermunterte Kelmar seine Schülerin, nicht aufzugeben. Es war schwer, wesentlich schwerer als bei Gräsern oder Büschen. Kyrana nahm einen neuen Anlauf, bettete ihre Hände auf der Frau Schultern und schloss die Augen. "Selem Male`ch atral Nyrem...Selem Male`ch atral Nyrem...Selem Male`ch atral Nyrem..." Längst konnte sie den Magiespruch auswendig hersagen. Bei niederen Gewächsen genügte es schon lange, wenn sie nur an ihn dachte, um sie zum Verwelken und Sterben zu bringen. Doch bei einem Menschen war es um ein Vielfaches schwerer.
    "Selem Male`ch atral Nyrem...Selem Male`ch atral Nyrem...Selem Male`ch atral Nyrem!" Ihre Hände begannen zu beben, denn es kostete sie alle Kraft, welche sie aufbringen konnte. Dennoch murmelte sie mit halb geöffneten Lippen unermüdlich weiter und weiter – halblaut und beschwörend.
    „Nicht nachlassen, gib dich ihm hin. Nimm es an und leite es weiter. Tu es!“, drang Kelmars Stimme eindringlich durch ihre n monotonen Singsang hindurch. „Ich glaube daran, dass du es kannst! Dieses Mal wird es gelingen.“ Plötzlich verstummte das Wimmern, sodass Kyrana die Frau erwartungsvoll ansah. Deren Augen hatten sich in blankem Entsetzen geweitet, derweil deutlich zu sehen war, dass ihre Gesichtshaut einen grauen, ungesunden Farbton annahm.
    In Todesangst und unter scheinbaren Schmerzen bäumte sie sich in Kelmars Griff auf, während jener in ihr Ohr raunte: „Fühlst du den Tod nahen, Mensch? Spürst du Pein und Kälte dich umfangen? Weißt du, was das ist?“ Noch ehe die Frau in der Lage war, etwas zu erwidern, fuhr er seidenweich fort: „Meine kleine Hexe raubt dir dein Bisschen Leben, Weib.
    Weil sie es kann!“ Ein Blick über den Schopf der Vergehenden hinweg mahnte Kyrana, nicht in ihren Bemühungen nachzulassen und ihr Werk zu vollenden. "Selem Male`ch atral Nyrem...Selem Male`ch atral Nyrem...Selem Male`ch atral Nyrem!" Unter Aufbringung all ihrer inneren Kräfte hob sie erneut ihre Stimme und bohrte ihren Blick in den der Gefangenen. Das Winseln der Frau wandelte sich zu einem Röcheln. Ihre Finger gruben sich krallenartig in den Stoff von Kelmars Robe und ihr Körper zuckte im Todeskampf.
    Dann brachen ihre Augen und wurden starr. Stille legte sich über die Bibliothek, während Kyrana langsam ihre Hände von den schlaffen Schultern löste. Es war gelungen – zum allerersten Mal! Sie fühlte sich glücklich und schwach zugleich.
    Wie einen nassen Sack warf Kelmar die Verblichene neben seinen Sessel und erhob sich ohne ihr noch einen Blick zu gönnen. Seine Augen ruhten auf Kyrana, als er mit einem Schritt an sie heran trat, um sie fest in seine Arme zu ziehen. „Du hast es geschafft.“ Soviel Stolz lag in seinen Worten, dass sie es wagte, sich an ihm festzuhalten und in scheuer Zartheit über seinen Rücken zu streichen. Er roch so unendlich gut nach Erde, dass sie für einen Moment die Augen schloss und seinen Duft in sich aufnahm.
    Viel zu schnell löste er sich wieder und schob sie sanft ein Stück von sich, um in ihre Augen zu sehen. Dabei sprach er leise: „Die Schattenmagie liegt dir nicht im Blut, kleine Hexe. Du musst sie mühsam erlernen – aber du wolltest es so. Umso stolzer bin ich nun, dass dein zäher Fleiß dich bis hierher gebracht

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