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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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sich von der Krankenhausarbeit erholten. Es hieß schlicht und einfach
Restauracja
und gehörte einer Familie aus der Provinz Swiebodzin, deren Küche man in Sofia sehr schätzte. Die Atmosphäre war raucherfüllt, der herbe Duft von Zwiebeln, Knoblauch und Kümmel lag in der Luft. Jan und Maria saßen vor Krügen mit dunklem, schäumendem Bier.
    »Noch nichts gehört von ihm?« erkundigte sich Szukalski.
    Maria schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich hat er viel zu tun.« Jan nickte.
    Der Hauptgang des Menüs wurde aufgetragen, zwei Teller mit Würsten und scharfem Sauerkraut. Nachdem sie von ihrem Essen gekostet hatte, meinte Maria: »Ja, die Epidemie ist in vollem Gange. Glauben Sie, daß die Partisanen sich deshalb so lange nicht mehr gemeldet haben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube eher, daß der Winter sie abgehalten hat und daß sie sich, wer immer sie auch sind, jetzt im Frühjahr wieder bemerkbar machen werden. Und wenn man bedenkt, wie viele Wochen sie nichts mehr unternommen haben, glaube ich kaum, daß sie mit einer kleinen Sache in den Frühling starten.«
    Maria kaute nachdenklich. »Das macht mir Sorgen, Jan.«
    »Ja, mir auch«, pflichtete er ihr bei. »Ich traue ihnen nicht. Ich wünschte, ich wüßte, wer sie sind!«
    Maria ließ den Blick durch das Restaurant schweifen. »Die Sache mit der Quarantäne ist immer riskant«, sagte sie fast flüsternd, »und eine große Aktion der Partisanen könnte alles verderben und Hunderte von Deutschen hierher bringen. Wir werden nicht gebraucht, Jan, nur dieses Depot. Wenn die Partisanen etwas Spektakuläres unternehmen, dann würden die Nazis uns auslöschen, Fleckfieber hin oder her.«
    »Ja, daran habe ich auch gedacht. Ich wünschte, ich könnte Kontakt zu ihnen aufnehmen und ihnen sagen, was wir hier machen.«
    »Bestimmt glauben sie, daß wir feige sind, weil wir nicht mit ihnen kämpfen.«
    »Feige …« Jan Szukalski schaute finster auf seinen Teller.
    {238} »Jan«, wandte sie sich leise an ihn.
    Er blickte auf.
    »Wie lange, glauben Sie, werden wir dieses Spiel spielen können?«
    »Wahrscheinlich so lange, wie die Deutschen annehmen, daß wir gegen eine wirklich schwere Krankheit anzukämpfen haben.«
    »Sind Sie sicher, daß es keine anderen Blutuntersuchungen auf Fleckfieber gibt, die spezifischer sind?«
    »Nicht, daß ich wüßte.«
    »Ist es möglich, daß es eine Behandlung gegen Fleckfieber gibt, von der wir noch nichts gehört haben?«
    »Kann ich nicht sagen. Aber letztes Jahr habe ich in einem Bericht über eine Konferenz in Genf gelesen, daß die Schweiz ein neues Pestizid mit der Bezeichnung DDT entwickelt hat.«
    »Davon habe ich auch gehört, glaube ich.«
    »Es tötet Körperläuse ab und soll sehr wirksam sein, um die Verbreitung von Fleckfieber zu verhindern.«
    »Besitzen die Deutschen DDT ?«
    »Bestimmt. Aber ich bezweifle, daß sie genug haben, um es in größerem Maße einzusetzen. Sonst wären sie durch unsere Epidemie nicht so fürchterlich besorgt.«
    »Und was, wenn sie uns befehlen, es einzusetzen?«
    »Maria, ich glaube, wir sollten uns über dieses Problem erst Gedanken machen, wenn es sich stellt.«
     
    Trotz der eisigen Kälte an diesem Abend hatte sich Dieter Schmidt völlig nackt vor seinem großflächigen Spiegel aufgestellt. Die Lampe von seinem Nachttischschrank stand auf dem Boden und hüllte ihn in ihr Scheinwerferlicht, während er mit einem kleinen Handspiegel in der einen Hand und einem Kamm in der anderen gewissenhaft sein Schamhaar absuchte.
    Seit Ausbruch der Epidemie hatte sich Schmidt diese Untersuchungen zweimal täglich zur Angewohnheit gemacht. Abgesehen davon, nahm er zusätzlich zweimal täglich ein kochend heißes Bad und wechselte dreimal am Tag die Kleidung, und außerdem hatte er sich den Kopf kahlscheren lassen. Während er sich langsam mit dem Kamm durch das kurze, gekräuselte Haar fuhr, inspizierte er genauestens jede Nische und Furche seiner Genitalien und zeigte sich am Ende {239} seiner Untersuchung zufrieden, daß sich dort keine Läuse verbargen. Als nächstes trat er näher an den Spiegel heran, legte einen Arm über den Kopf und kontrollierte seine Achselbehaarung. Nachdem er beide Achselhöhlen überprüft und die Erkundung seines Körpers beendet hatte, war er erleichtert, daß er einen weiteren Tag im Kampf gegen das Fleckfieber erfolgreich bestanden hatte.
    Einen Kampf hatte er gewonnen, ja, aber der Krieg war nicht beendet. Er stellte die Lampe wieder auf den Nachttisch

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