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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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betrat. Er würdigte die wallenden Meßgewänder, die an ihren Kleiderständern hingen, kaum eines Blickes und schritt quer durch das Zimmer auf eine andere Tür zu. Sie war angelehnt, und dahinter brannte Licht.
    Er stieß die Tür leicht mit der Fußspitze an, so daß sie sich einen Spalt breit öffnete und er hineinsehen konnte. Pfarrer Wajdas Arbeitszimmer war ebenfalls leer. In einem Ofen an der Wand prasselte ein loderndes Feuer. Auf dem Schreibtisch lag ein Buch, und daneben stand ein Glas Wein. Das deutete darauf hin, daß der Priester bald zurückkommen würde.
    Rudolf Bruckner wischte sich den Schweiß von der Stirn und schlich auf Zehenspitzen zurück zur Sakristei. Plötzlich fiel sein Blick in der Dunkelheit auf einen winzigen Lichtpunkt dicht vor seinen Füßen. Er beugte sich hinunter, um genauer nachzusehen, und entdeckte, daß sich im Boden der Sakristei ein kleines Loch befand, durch das eine kupferne Röhre verlief. Er folgte dem Verlauf der Röhre und stellte fest, daß sie mit einem kleinen Weihwasserbecken in einer Ecke verbunden war.
    Rudolf Bruckner kniete nieder und preßte sein Ohr gegen den Fußboden. Gedämpftes Gemurmel drang zu ihm empor.
    Bruckner blickte verwirrt auf. Die Geräusche ebenso wie die geheimnisvolle Kupferleitung kamen offensichtlich aus einer verborgenen unterirdischen Kammer. Aber wo war diese Kammer? Er stand auf und tastete die Wände der Sakristei nach einer versteckten Öffnung ab, fand aber nichts. So verließ er den kleinen Raum und wandte sich, einer Eingebung folgend, dem hinteren Teil des Altars zu. Gewissenhaft überprüfte er die Wände der Apsis, und als er hinter das hoch aufragende Kruzifix und die düsteren Fresken trat, kam er schließlich an eine kleine Tür, die unauffällig in eine Nische eingelassen war. Er stieß sie auf und entdeckte eine Wendeltreppe, die nach unten führte.
    Bruckner zog die Pistole aus seiner Manteltasche und stieg langsam die Stufen hinunter.
    {244} Angewidert verzog er das Gesicht, als ihm ein muffiger, lehmiger Geruch in die Nase stieg, und wenn seine Hand hin und wieder mit dem feuchten, glitschigen Bewuchs der Steinwand in Berührung kam, zog er sie rasch zurück. Vorsichtig nahm er in der Finsternis eine Stufe nach der anderen und dachte dabei, daß es wohl so sein müßte, wenn man blind wäre.
    Erleichtert bemerkte Bruckner gleich darauf einen schwachen Lichtschein. Ein leises Gemurmel drang an sein Ohr und verriet ihm, daß er schon fast unten angelangt war. Heftig schwitzend und gegen einen starken Harndrang ankämpfend, erreichte er die letzte Stufe und stutzte, als er die Szene vor sich sah.
    Ungläubig starrte Bruckner durch einen kurzen Gewölbegang auf die Laboreinrichtung, die auf einem langen Tisch und zum Teil auch auf dem Boden ausgebreitet war. Staunend betrachtete er die Steinsärge, die in Wandnischen übereinandergestapelt und mit mittelalterlichen Grabplatten bedeckt waren, die elektrischen Glühbirnen, die nicht nur diese Epitaphe aus Marmor erleuchteten, sondern ebenso einen Eisschrank und einen Inkubator.
    Dieses Szenarium war an sich schon grotesk genug. Aber zu allem Überfluß erblickte er in dem Raum einen in eine braune Kutte gewandeten Mönch in enger Umarmung mit einer Krankenschwester. Bruckner schnappte hörbar nach Luft, worauf Bruder Michal und Anna sich erschreckt aus ihrer Umarmung lösten und herumfuhren. Mit dem Finger am Abzug seiner Pistole trat Bruckner vollends in den Raum.
    »Keine Bewegung, ihr beiden!« zischte er.
    Während er sich weiter in dem Raum umsah und seinen Blick prüfend über die Laborausrüstung schweifen ließ, unter der er all die Gegenstände erkannte, die er schon lange vermißt hatte, herrschte Bruckner sie an: »Was geht hier eigentlich vor?«
    Hans Keppler setzte ein entwaffnendes Lächeln auf. »Wie Sie sehen, ist dieser Raum eine Grabkammer. Wir präparieren hier Leichname unter Anwendung eines besonderen Verfahrens.«
    »Aha …« Bruckner streckte die Hand aus und nahm einen gläsernen Gegenstand vom Tisch. »Was zum Teufel ist das? Was machen Sie hier unten?«
    Wieder ergriff der Mönch das Wort. Seine Stimme klang noch immer {245} ruhig und fest. »Das habe ich Ihnen doch gesagt. Wir machen Versuche zur Präparierung von Leichen. Sehen Sie sich doch einmal um. Diese mittelalterlichen …«
    »Schluß mit dem Unsinn! Wenn Sie glauben, Sie könnten mich an der Nase herumführen, dann haben Sie sich getäuscht. Es ist irgendein Impfstoff. Ich kann nicht

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