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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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und suchte so sorgfältig wie vorher sich selbst seine Matratze und die Bettfedern ab. Dann richtete er sein frisch bezogenes Bett. Bevor er sich schlafen legte, ging er in das kleine Badezimmer nebenan, um sich seinen provisorischen Dampfreiniger anzusehen. Er hatte eigenhändig einen kleinen Kohleofen installiert, der einen Abzug nach draußen hatte. Auf seiner schmalen, flachen Oberfläche befand sich ein großer Topf, der bis zum Rand mit Wasser gefüllt war, das stetig kochte. An eigens in die Decke gebohrten Haken hingen Holzkleiderbügel, von denen seine Uniformen schlaff herunterbaumelten, die durch ein zylinderförmig gefaltetes Segeltuch beständig heißem Dampf ausgesetzt wurden.
    Diese Vorrichtung hatte Schmidt selbst erfunden. Nachdem er Szukalskis Liste mit den Vorsichtsmaßnahmen erhalten hatte, die es gegen Läuse zu treffen galt, hatte Schmidt sich darangemacht, alle Maßnahmen äußerst penibel durchzuführen. Er traute keinem seiner Adjutanten, was die Erhaltung seiner Gesundheit betraf.
    Eines wußte Schmidt ganz sicher: Wenn er sich Fleckfieber holen sollte, dann hätte er fast keine Überlebenschance.
    Auch der Adjutant, der ihm sein Essen brachte, hatte Vorsichtsmaßnahmen zu beachten. Sein Kopf mußte kahlgeschoren sein, und das Tragen von Handschuhen war Pflicht. Er durfte die Räume des Kommandanten auch nicht zu weit betreten. Obwohl Schmidt an seine Leute strikte Anweisungen hinsichtlich der einzuhaltenden Regeln erteilt hatte und obwohl er immer wieder feststellte, daß diese auch äußerst genau befolgt wurden, wollte er sich auf kein Risiko einlassen.
    Er war zwar immer noch jeden Tag in seinem Büro und zeigte damit sein Pflichtgefühl als oberster Herrscher über dieses Gebiet, aber auf seine täglichen Ausfahrten im Mercedes und seine Überraschungsbesuche an verschiedenen Orten in der Stadt wie im Krankenhaus und {240} in der Kirche hatte er inzwischen verzichtet. Er war nicht so närrisch, seine Gesundheit für diese Gewohnheiten aufs Spiel zu setzen.
    Tausende in Sofia und Umgebung litten an der scheußlichen Krankheit, viele von ihnen waren nach Szukalskis täglichen Berichten schon daran gestorben, nicht wenige davon Deutsche. Und alles war die Schuld dieses Schweins! Wenn dieser Hund von Szukalski sich als nur einigermaßen kompetent erwiesen hätte, dann wäre die Seuche niemals ausgebrochen. Seinetwegen bestand das Leben Dieter Schmidts nur noch aus lächerlichen Ritualen.
    Es entrüstete den SS -Kommandanten, so ohnmächtig, so völlig hilflos zu sein. Seine Vorgesetzten übten Druck auf ihn aus, die Epidemie zu beenden, damit das Depot wieder uneingeschränkt genutzt werden konnte. Aber wie? Szukalski gab doch sein Bestes und bekämpfte die Krankheit energisch. Einen Trost jedoch gab es für Dieter Schmidt. Er wußte jetzt, wer die Partisanen waren und wo sie sich versteckten. Und dank seiner beiden Spione Każik und Stanisław wußte er auch von dem Plan, das Depot anzugreifen. Selbst der Tag und die Stunde des Angriffs waren ihm bekannt.
    Er mußte sich eingestehen, daß er der Epidemie nicht so Herr werden konnte, wie das Oberkommando es wünschte. Aber er würde bald mit dem größten Erfolg seiner Laufbahn aufwarten.
     
    Anna Krasinska mußte nicht erst das Licht einschalten, um den gewünschten Schrank zu finden. Sie kannte sich in dem Laboratorium aus wie in ihrer Westentasche, und selbst in dieser Dunkelheit hatte sie keine Mühe, sich darin zu orientieren. Was sie benötigte, lag im Schrank auf dem zweiten Regalbrett, und sie war sicher, daß sie es aus dem Laboratorium schmuggeln könnte, ohne daß jemand es bemerkte.
    Anna hatte sich Dr. Szukalski inzwischen anvertraut, da sie befürchtete, Hans zu verlieren. Es bedrückte den jungen Mann, daß er dem Priester nicht die Wahrheit über seinen nächtlichen Aufenthaltsort sagen konnte, und er wurde immer nervöser, wenn er sich nach Mitternacht zum Haus seiner Großmutter schlich. Außerdem hatte er das Gefühl, seine Freunde zu verraten, weil er hinter ihrem Rücken eine fünfte Person in den Fleckfieber-Schwindel eingeweiht hatte. Anna befürchtete, daß er auf Dauer dem Druck des schlechten Gewis {241} sens nicht standhalten könnte, und hatte daher insgeheim beschlossen, selbst nach einer Lösung zu suchen.
    Als sie in Dr. Szukalskis Büro saß, hatte sie zunächst noch die größten Bedenken und trug ihm nur zögernd ihr Anliegen vor. Doch zu ihrer Überraschung und Erleichterung zeigte sich der Doktor sehr

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