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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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den Kopf. Aus einem schlammigen Feld erhob sich eine primitive Behausung, aus deren Kamin schwache Rauchschwaden aufstiegen. Sonst wirkte alles still und leblos. »Vor zwei Monaten hatte die ganze Familie Fleckfieber, und ein alter Onkel ist auch daran gestorben. Ich bin sicher, sie sind noch immer Weil-Felix-positiv.«
    Szukalski stapfte durch den Morast auf die Hütte zu. Die anderen wechselten unsichere Blicke und folgten ihm zögernd. Nur Max Hartung, der noch immer der festen Überzeugung war, daß es keine Epidemie gab und daß der Schwindel in Kürze aufgedeckt würde, schritt beherzt drauflos.
    Gleich darauf standen sie geschlossen vor der Tür, und als Szukalski anklopfte, warfen sich die deutschen Ärzte abermals besorgte Blicke zu. Ihre Unruhe nahm von Minute zu Minute zu. Eine zahnlose alte Frau öffnete ihnen die Tür, und als sie Dr. Szukalski erkannte, lächelte sie und begann sofort in einem starken ländlichen Dialekt, den die Deutschen nicht verstanden, auf ihn einzureden. Szukalski übersetzte für die Besucher. »Sie sagt, daß ihr Sohn, dem ich eine ProteinTherapie verordnet habe, noch immer sehr schwer an Fleckfieber erkrankt ist. Aber sicherlich wollen Sie sich selbst davon überzeugen, meine Herren.«
    Er nahm seinen Hut ab und zog den Kopf ein, bevor er durch die niedrige Türöffnung in die Hütte trat. Dabei erklärte er der alten Frau, daß die Herrschaften gerne einen Blick auf ihren Sohn werfen {306} wollten. Als die Deutschen einer nach dem anderen vorsichtig die lehmige Türschwelle überquerten, bemerkte Szukalski beiläufig über die Schulter hinweg: »Nehmen Sie sich in acht, meine Herren, die Ritzen und das Dachstroh dieser alten Hütten sind häufig Brutstätten für allerlei Ungeziefer.«
    Sogleich rückten die Ärzte enger zusammen.
    Die Wohnstube war der auf dem Wilk-Hof nicht unähnlich – unbefestigter Fußboden, Kalkwände, Kochkessel über der Feuerstelle – nur gab es darin weniger Fenster und keinen Dachboden. Es war eine einfache Hütte, die von der alten Frau, ihrem Sohn und noch zwei älteren Vettern bewohnt wurde. Sie schliefen in einer Ecke zu viert nebeneinander auf demselben Strohhaufen. Die ganze Einrichtung bestand aus einem grobbehauenen Tisch und einem einzigen Stuhl. Von der Decke hing ein geräucherter Schinken, um den ein paar Fliegen surrten.
    Szukalski und seine Begleiter nahmen fast den ganzen Raum ein, als sie um den auf dem Stroh ruhenden Mann herumstanden. Müller befahl dem Laboranten, Blut abzunehmen, eine Aufgabe, die der Mann in größter Eile verrichtete, während einer der Ärzte den Patienten flüchtig untersuchte.
    Eine peinliche Stille lag über der Gruppe. Prüfend ließ Müller seinen Blick von Szukalski zu Hartung und wieder zu Szukalski schweifen, und als er den undurchdringlichen Gesichtsausdruck beider Männer sah, begann er sich zu fragen, was hier eigentlich wirklich vor sich ging.
    Als sie wieder draußen waren, atmeten alle erleichtert auf. Szukalski dankte der Frau und schloß die Tür hinter sich. Da konnte Müller sich nicht mehr zurückhalten und platzte heraus: »Mein Gott, was für ein verwahrlostes Gesindel!«
    Szukalski runzelte die Stirn. »Was haben Sie denn erwartet, Herr Doktor? Dies ist eine ländliche Gegend. Die Leute sind bettelarm. Jetzt sehen Sie selbst, wie es hier um Hygiene und Gesundheitsvorsorge bestellt ist. Ist es da ein Wunder, wenn wir mit einer solchen Fleckfieberepidemie zu kämpfen haben?«
    Müller warf einen ärgerlichen Blick zu Hartung hinüber. Die Mauer des Schweigens, die der SS -Mann um sich herum aufbaute, brachte seine innere Wut allmählich zum Überschäumen. Er wandte sich an {307} den Arzt, der die kurze Untersuchung vorgenommen hatte, und fragte: »Was ist Ihre Meinung?«
    Der Arzt machte ein ratloses Gesicht. »Das ist schwer zu sagen, Herr Doktor. Der Mann leidet ganz eindeutig an einer ernsten Krankheit. Und seine Symptome könnten auf Fleckfieber hindeuten. Aber, um die Wahrheit zu sagen, ich wollte ihm nicht zu nahe kommen …«
    »Ja, das kann ich gut verstehen. Im Grunde kommt es auch nur auf die Bluttests an, Dr. Kraus. Die Untersuchung des Patienten ist eigentlich nur eine Formalität.« Und an Szukalski gewandt, meinte er:
    »Sollen wir fortfahren, Herr Doktor?«
    »Ganz wie Sie wünschen. Ich muß Sie jedoch darauf aufmerksam machen, daß Sie damit ein großes Risiko eingehen.«
    »Der Herr Sturmbannführer hat mir aber versichert, daß es kein Fleckfieber gibt und daß wir

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