Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
Vom Netzwerk:
schwitzen müssen. Es war allein meine Idee, Sie einzuladen. Niemand hat mich dazu gedrängt. Ich sehe nur nicht gerne mit an, daß Männer stundenlang herumstehen und hungern müssen. Und wir haben so viel – mehr als wir essen können. Und sehen Sie, da drüben werden wir sitzen, gerade vor Ihren Augen … Ich würde mir die ganze Zeit über Vorwürfe machen.«
    »Sie wissen doch, weshalb wir hier sind?«
    »Allerdings, aber ich nehme es Ihnen persönlich nicht übel. Schließlich handeln Sie ja nur auf Befehl, nicht wahr? Sehen Sie, als Priester bringe ich es einfach nicht fertig, mich an gutem Essen, Bier und Wodka zu laben, während Sie hier stehen und zuschauen müssen. Das geht gegen mein menschliches Empfinden. Ich würde mich freuen, wenn Sie dem Festmahl als meine Gäste beiwohnten. Es werden übrigens auch eine Menge hübscher Mädchen dort sein.«
    Der Offizier sah seinen Feldwebel an. »Meint er es ernst?« fragte er und deutete abfällig mit dem Daumen auf den Priester. Der Unteroffizier wirkte unschlüssig. »Klingt doch ganz nett, Herr Hauptmann. Bier und Mädchen. Wer weiß, wann der Sturmbannführer wieder zurück sein wird?«
    »Nun«, meinte Wajda leichthin, »ich wollte Ihnen mit der Einladung nur etwas Gutes tun. Natürlich liegt es ganz bei Ihnen, ob Sie sie annehmen oder nicht. Sie können auch nur einige Ihrer Leute gehen lassen oder sich abwechseln, ganz wie Sie wollen, Herr Hauptmann. {304} Auch alleine sind Sie uns willkommen. Jedenfalls haben Sie Ihre Panzer von dort drüben ständig im Auge. Es wird ein heißer Tag werden, und ich wette, überdies ein langweiliger. Im Park unter den Bäumen werden wir gemütlich bei Musik und Wodka sitzen und uns an Kartoffelpfannkuchen, Grillwürstchen und ofenfrischem Brot mit Butter gütlich tun. Wenn Sie natürlich Angst vor Fleckfieber haben …«
    Der Hauptmann stieß ein trockenes Lachen hervor. »In dieser Stadt gibt es kein Fleckfieber, Herr Pfarrer, gerade deswegen bin ich ja hier. Was glauben Sie wohl, warum wir die Panzer mitgebracht haben? Um Blutproben zu nehmen? Sturmbannführer Hartung hat uns versichert, daß es keine Epidemie gibt und daß wir heute abend ein Gebäude nach dem anderen in Schutt und Asche legen werden. Was halten Sie davon, Herr Pfarrer?«
    Wajda blieb gelassen und freundlich. »Das liegt allein in Gottes Hand. Ich kann nur so viel sagen, daß wir heute hier in Sofia ein Fest feiern und die Leute Sie gerne daran teilhaben lassen wollen.«
    Aber der Offizier entgegnete nur: »Wir sind nicht die Narren, für die ihr uns haltet.«
     
    Als der Wagenkonvoi in das Dorf Slavsko einfuhr, sahen sich die Ärzte voller Abscheu an. Auf den ersten Blick erkannten sie, daß dieses Dorf eines der ärmsten und schmutzigsten war, das sie hätten wählen können.
    Bereits die Fahrt von Sofia war nicht gerade angenehm gewesen. Der Weg nach Slavsko führte über holprige Landstraßen voller Schlaglöcher, in denen noch von den Frühlingsregenfällen das Wasser stand. Mehrmals waren die Autos im Schlamm steckengeblieben, so daß die ganze Gesellschaft aussteigen und schieben mußte.
    Als die hohen Besucher schließlich mit schmutzigen Stiefeln und schlammbespritzten Uniformen am Ziel ankamen, vermochte der Anblick des Dorfes ihre Stimmung kaum zu heben.
    Nicht mehr als eine Anhäufung strohgedeckter Lehmziegelhütten, glich Slavsko einem mittelalterlichen Weiler, um den sich einige Gehöfte gruppierten. Bauern standen im Schatten ihrer Behausungen und starrten mit offenen Mündern auf die vorbeifahrenden Wagen, die mit lautem Hupen Hühner und Maultiere von der Straße vertrieben.
    {305} Szukalski fragte: »Soll ich Ihnen die Leute zeigen, die in den letzten Monaten an Fleckfieber erkrankt sind, oder wollen Sie selbst von der Liste der Fleckfieberopfer wählen?«
    Dr. Müller rückte seine Brille zurecht und versuchte, einige der Schlammspritzer von seiner Uniform zu wischen. Zu seinem Verdruß rieb er sie aber nur noch tiefer in den Stoff ein. »Gott bewahre! Wir wollen nicht mehr Zeit hier verschwenden als unbedingt nötig. Zeigen Sie uns die Leute, Doktor, ich bitte Sie darum. Wir werden Blutproben von ihnen nehmen und im Krankenhaus den Weil-FelixTest durchführen. Meiner Meinung nach ist das zwar vertane Zeit, aber wir müssen Sturmbannführer Hartung zufriedenstellen. Im Grunde ist das hier seine Unternehmung.«
    »Also gut, dann schlage ich vor, wir beginnen mit der Familie dort drüben.« Er deutete nach rechts, und alle drehten

Weitere Kostenlose Bücher