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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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geschrieben, als er über die Straße auf die Gruppe zueilte.
    »Was ist …«
    »Positiv!« kreischte Müller. »Du blöder Kerl! Jeder einzelne Fall in diesem Dorf ist positiv!«
    Hartung wurde kreidebleich. »Aber das ist doch nicht mög …«
    »Zum Teufel mit dir, Hartung!« brüllte Müller, dem vor Zorn die Halsschlagadern hervortraten. »Du aufgeblasenes Arschloch! Du nach Scheiße stinkender, großtuerischer, aufgemotzter, unausstehlicher Laffe! Hast du gehört, was ich gesagt habe?«
    Der Sturmbannführer ließ seinen Blick flüchtig über die Gesichter der Umstehenden schweifen. Alle waren von heillosem Schrecken gezeichnet. »Aber das …«
    »In deinem Wahn hast du uns alle in Gefahr gebracht, uns mit Fleckfieber anzustecken!«
    »In meinem Büro können wir unsere Kleider über heißem Dampf desinfizieren«, schlug Dieter Schmidt gespielt kleinlaut vor.
    Sichtlich bemüht, nicht völlig die Fassung zu verlieren, wandte Dr. Müller sich an Szukalski und fragte: »Haben Sie DDT ?«
    »Es ist uns schon seit langem ausgegangen, Herr Doktor«, antwortete Szukalski, der seine innere Hochstimmung meisterhaft verbarg. »Die wenigen Lieferungen, die wir aus Deutschland bekamen, reichten nicht aus, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern.«
    {312} »Hartung!« stieß Müller zwischen den Zähnen hervor. »Jetzt ist es aus! Reichsprotektor wolltest du werden! Daß ich nicht lache! Wenn ich erst meinen Bericht über deinen idiotischen Auftritt hier verfaßt habe«, Müller schnappte nach Luft und rümpfte die Nase vor dem Schweinegeruch, der Hartung noch immer anhaftete, »dann werden sie dich wohl zum Scheißprotektor ernennen und dich auf einem Misthaufen stationieren!«
    Er drehte sich zu seinen Kollegen um. »Tun Sie, was der Hauptsturmführer sagt. Lassen Sie Ihre Kleider ausdämpfen! Das gilt für alle!«
    Dann wandte er sich mit erhobenem Zeigefinger wieder Hartung zu.
    »Und was dich betrifft …« Fritz Müller brach mitten im Satz ab und erstarrte. »O mein Gott …«, keuchte er.
    »Was ist los, Herr Doktor?« fragte jemand.
    Müller blickte über den Marktplatz auf den Park neben der Kirche.
    »Großer Gott …«, flüsterte er wieder.
    Und bevor irgend jemand etwas sagen oder tun konnte, rannte Fritz Müller schon über die Straße auf die parkenden Panzer zu.
    »Herr Hauptmann!« brüllte er, heftig mit den Armen fuchtelnd.
    »Herr Hauptmann!«
    Der Panzerkommandant hielt im Kauen inne und schaute verwundert zu dem Mann auf, der da angerannt kam. Er hatte ein halbgegessenes
     Wurstbrot in der einen und eine Flasche Bier in der anderen Hand.
    »Was gibt es, Herr Doktor? Kann der Spaß beginnen?«
    »Holen Sie Ihre Männer dort weg!« kreischte Müller.
    »Meine Männer dort wegholen …«
    »Sofort, Herr Hauptmann. Rufen Sie sie auf der Stelle zurück!«
    »Aber warum denn?« Der Panzerkommandant warf einen raschen Blick über Müllers Schulter und sah Hartung stumm neben einem der Geländewagen stehen. Er wirkte seltsam betreten. »Was ist los, Herr Doktor? Meine Männer wollten sich vor dem Einsatz doch nur noch ein wenig stärken. Die Stadtbewohner dachten, sie könnten ihr Leben mit ein wenig Essen und Trinken erkaufen, aber …«
    »Diese Stadtbewohner, Herr Hauptmann, sind mit Fleckfieber verseucht!«
    »Mit Fleckfieber ver …« Der Hauptmann wich einen Schritt zurück.
    »Aber man hat uns doch gesagt, es gebe hier keine Fleckfieberepidemie, und wir sollten die Stadt dem Erdboden gleichmachen!«
    {313} »Wie es scheint, ist da einem der Herren ein ziemlich schwerwiegender Fehler unterlaufen, und wir waren die ganze Zeit der Gefahr ausgesetzt, uns mit Fleckfieber zu infizieren.« Müller schaute zu der ausgelassenen Festgesellschaft hinüber, sah, wie die Frauen die Braten zerlegten, das Brot aufschnitten und über den Suppenschüsseln lachten. Und er sah die Soldaten des Reichs, die willig alles in den Mund steckten, was ihnen angeboten wurde.
    Fritz Müller fühlte sich plötzlich hundeelend.
    In einem bedeutend ruhigeren Ton sagte er: »Herr Hauptmann, wir sind in ernster Gefahr hier. Bitte trommeln Sie Ihre Männer zusammen und lassen Sie sie vor dem Rathaus Aufstellung nehmen.«
    Der Hauptmann ließ das Brot und die Flasche fallen und befahl seinem Feldwebel, die Männer im Laufschritt antreten zu lassen.
     
    Die Szene hätte durchaus komische Züge gehabt, wäre sie nicht von Angst überschattet gewesen. Die gesamte Delegation stand völlig entblößt in Dieter Schmidts

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