Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
Vom Netzwerk:
Angst.«
    »Das weiß ich. Aber Sie haben doch bis zum Ende durchgehalten. Wir haben Tausende vor dem sicheren Tod bewahrt, doch jetzt müssen wir uns selbst retten. Warschau ist die beste Adresse für Krebsbehandlungen. Werden Sie sich Ende der Woche bereithalten?«
    »Ja«, murmelte sie.
    »In Ordnung.« Szukalski räusperte sich und merkte, daß es ihm {328} schwerfiel, den Blick von ihren großen, ausdrucksvollen Augen zu wenden. »Hans? Ist Ihnen etwas eingefallen?«
    »Ja, Doktor.« Keppler ergriff Annas Hand. »Anna und ich haben uns einen Plan ausgedacht. Wir werden Samstagnacht gehen.«
    »Gut.« Szukalski nickte nachdenklich. »Gut …«, wiederholte er. Dann wandte er sich an Pfarrer Wajda, der niedergeschlagen dasaß, und fragte leise: »Piotr?«
    Der Priester hob den Kopf und erwiderte mit einem traurigen Lächeln: »Ich kenne meine Aufgabe, Jan.«
    Die beiden Männer sahen sich lange an.
     
    Maximilian Hartung kochte vor Haß und Wut, als er Fritz Müllers Brief las.
    SS -Sturmbannführer Maximilian Hartung; KZ Majdanek.
    Lieber Max,
    vielleicht muß ich mich am Ende noch bei Dir dafür entschuldigen, daß ich Dich in Sofia so schlecht behandelt habe, und besonders,
daß Dir auf mein Betreiben das Kommando über die Einsatzgruppe
entzogen wurde. Unlängst war ich in Krakau …
    In seinem trostlosen Büro in der Hölle von Majdanek starrte Maximilian Hartung noch lange, nachdem er zu Ende gelesen hatte, auf den verwirrenden Brief. In seiner Seele tobte eine so unbändige Wut, daß er für einen Augenblick nicht mehr klar denken konnte.
    Seit über einem Jahr ertrug er nun schon die Erniedrigung seiner Versetzung nach Majdanek, wo er persönlich dafür verantwortlich war, fünfzigtausend Juden und andere von den Nazis als Untermenschen eingestufte Personen in den Tod zu schicken. Und während dieser ganzen Zeit hatte er immer und immer wieder den schmachvollen Tag in Sofia durchlebt.
    Ihn dürstete nach Rache.
    Nach einer Weile raffte er sich auf und verfaßte eine Antwort an Müller.
    Lieber Fritz,
     
    wenn sich Deine Vermutung als wahr herausstellen sollte und die
Komplementbindungs-Reaktion mit Blutproben aus Sofia negativ
{329}
ausfällt, dann laß es Szukalski auf keinen Fall wissen. Melde ihnen
weiterhin positive Ergebnisse, damit sie keinen Verdacht schöpfen,
daß wir ihrem Schwindel auf der Spur sind.
    Ich will ihnen persönlich auf dem Kopfsteinpflaster ihres malerischen Marktplatzes die Hirnschale zerschmettern. Besonders
diesem elenden Dreckskerl Szukalski und seinem scheinheiligen
Priesterfreund. Ich erwarte, von Dir zu hören, sobald sich Dein
Verdacht bestätigt hat.
    Max.
    Die fünf waren in einer Stimmung, wie sie sie nie zuvor erlebt hatten, und keiner von ihnen hätte an diesem traurigen Samstagabend in Worte fassen können, was in ihm vorging.
    Szukalski sah Maria an, wie sie vor ihm in der Krypta stand, einen Mantel über dem Arm und einen kleinen Koffer unter dem anderen. Sie mußte den Anschein erwecken, als wolle sie nur für eine Woche wegbleiben, denn Schmidt hatte ihr keine längere Frist zugestanden. Pfarrer Wajda würde sie zum nördlichen Quarantäne-Kontrollpunkt fahren, von wo aus es nicht mehr weit bis zum Zug nach Warschau war.
    Szukalski und Duszynska blickten einander im Dämmerlicht der Krypta an und brachten kein Wort heraus.
    Hans Keppler trat nervös von einem Fuß auf den anderen.
    »Dieter Schmidt hegt keinen Verdacht«, meinte Piotr Wajda beruhigend. »Für ihn geht alles so weiter wie bisher. Auch wenn die Russen nur dreihundert Kilometer östlich von uns stehen und die Alliierten von Westen her auf dem Vormarsch sind, Schmidt ist und bleibt davon überzeugt, daß sich nichts ändern wird. Der Mann ist entweder blind oder irregeleitet.«
    »Leben Sie wohl, Jan«, flüsterte Maria, ihr Gesicht so nahe an seinem, daß sie seinen Atem spüren konnte.
    Er faßte nach ihrer Hand und drückte sie zärtlich. Dann ließ er sie los und sagte: »Von nun an werden sich unsere Wege trennen. Ich wünsche Ihnen Sicherheit und Glück, Dr. Duszynska. Und ich wollte, ich könnte Ihnen eine Medaille verleihen oder …«
    Sie lachte leise auf. »Für den Augenblick wäre ich schon zufrieden, es bis zum nördlichen Kontrollpunkt zu schaffen.«
    {330} »Was werden Sie in Warschau anfangen?«
    »Ich weiß es noch nicht. Früher hatte ich viele Freunde dort. Sogar Verwandte. Aber wer weiß, ob sie noch da sind? Ob die Stadt überhaupt noch steht? Nach allem, was ich gehört

Weitere Kostenlose Bücher