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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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fühlte Leokadja sich auf einmal um weit mehr als sieben Jahre älter. Wir kommen aus so verschiedenen Welten …, dachte sie.
    Als das Schweigen für ihn fast unerträglich wurde, stand David schnell auf und schaute sich in der Scheune um. »Wir werden zwei Betten machen müssen. Du kannst die Jutesäcke haben und hier beim Feuer schlafen. Ich werde in die Ecke dort gehen, es gibt noch genug Heu, um …«
    Plötzlich erhob sich auch Leokadja. Sie schmiegte sich eng an ihn und schüttelte den Kopf.
    »Stimmt was nicht?« fragte er.
    »Ich will mit dir schlafen.«
    Plötzlich war sie wieder da, diese Verwirrung auf seinem Gesicht, als sie sich an ihn preßte, die Arme um ihn legte und ihre Lippen zärtlich auf die seinen drückte. Er erwiderte ihr Verlangen und schlang jetzt ebenfalls, zuerst zurückhaltend, dann voller Leidenschaft seine Arme um sie.

14
    Kepplers Arm begann zu schmerzen, als er Anna an diesem Abend von zu Hause abholte. Er hatte sich um Punkt neun Uhr unten an der Treppe eingefunden, und während er sich in die Hände blies, um sie zu wärmen, rieb er sich immer wieder über die empfindliche Stelle an seinem Arm. Als Anna die Tür öffnete und nach draußen trat, breitete sich ein warmes Licht über den Schnee aus. Keppler vergaß sofort sein Unbehagen und lächelte. »Du bist wunderschön«, hauchte er, während sie vorsichtig die vereiste Treppe hinunterstieg.
    Als sie ihn erreicht hatte, keuchte Anna völlig atemlos: »Ich hatte solche Angst, daß der Ball verboten wird, weil sie doch gestern die Brücke zerstört haben und …«
    Keppler zeigte sich nicht beeindruckt. »Es ist ja nicht in Schmidts {180} Gebiet geschehen, doch ich möchte wetten, daß heute abend in Sandomierz keine Feste stattfinden! Aber laß gut sein,
moja kochana,
Brücken und Bomben sollen uns nicht den Spaß verderben.«
    Bald spazierten sie die schneebedeckte Straße hinunter. Als sie sich dem Weißen Adler näherten und den schneidenden, heftigen Wind von der Weichsel her spürten, griff Anna instinktiv nach dem Arm ihres Begleiters und schmiegte sich wärmesuchend an ihn. Dabei gab er ein kurzes, reflexartiges Stöhnen von sich.
    »Was ist los, Hans?«
    »Nichts. Mein Arm schmerzt ein wenig; ich muß mich wohl irgendwo gestoßen haben.« Er lächelte ihr beruhigend zu, doch als sie ihren Weg durch die eiskalten Straßen fortsetzten, stellte er zu seinem Schrecken fest, daß nicht nur die Schmerzen in seinem Oberarm stetig zunahmen, sondern daß er auch Kopfschmerzen bekam.
    Der Weiße Adler war im achtzehnten Jahrhundert die Residenz eines polnischen Grafen gewesen und befand sich am Rande der Stadt. Das im Sommer von Rasenflächen in sattem Grün umgebene Landhaus, an dessen einer Seite man in mehreren Schuppen Wagen, Droschken, Pferde und Fahrräder abgestellt hatte, war nun in eine dicke Schneedecke eingebettet. Während das junge Pärchen den mit Steinplatten belegten Weg zum Hotel hinaufging, hörte es bereits die schwungvollen Melodien, die von der Kapelle gespielt wurden, und das entfernte Aufstampfen vieler Füße. Aus jedem Fenster und jeder Tür schien helles Licht, Rauch stieg aus zwei Kaminen, ein Geruch, der eine Mischung aus gedünstetem Kohl, gebratenem Schweinefleisch und gekochtem Kürbis sein mußte, wurde ihnen von dem aus dem Osten wehenden Wind in die Nase getrieben.
    In dem großen Raum, der als Speise- und Tanzsaal diente, gab es keinen einzigen freien Tisch mehr; lediglich ein paar Stühle waren noch aufzutreiben. Keppler bahnte sich einen Weg durch die Menge, die sich um die Tür und die Bar versammelt hatte, und es gelang ihm, zwei Stühle zu ergattern und sie an einen Tisch heranzurücken, an dem schon drei Personen saßen, die den Tanzenden zuschauten. Noch bevor Anna ihren Mantel abgelegt hatte, ließ er sich auf seinen Stuhl fallen.
    Sein Kopf schmerzte inzwischen fürchterlich.
    {181} »Hans?« Eine kühle Hand legte sich auf die seine. »Hans, was ist los?«
    Er blickte in Annas besorgt wirkende Augen. »Mit geht es gut«, antwortete er und schrie gegen den Lärm an, den die Fünf-Mann-Kapelle machte. Ein Schwarm ausgelassener Tänzer legte eine wilde Polka aufs Parkett.
    »Bist du sicher? Deine Gesichtsfarbe ist irgendwie anders.«
    »Ich brauche nur einen Wodka«, entgegnete er knapp und um Beherrschung bemüht.
    Als er sich endlich, unter Schonung seines wunden Armes, aus seinem Mantel befreit hatte, kam ein Kellner mit einem Tablett vorbei. Hans reichte ihm etwas Geld und erhielt

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