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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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zwei Gläser von dem dampfenden Wodka, der mit Honig gewürzt war.
    Das Getränk würde, ja mußte ihm guttun. Dies war eine besondere Nacht, in der er sich amüsieren, Musik hören und Anna in seine Arme schließen wollte. Wann würde sich ihm wieder eine solche Gelegenheit bieten? Vielleicht längere Zeit nicht mehr. Wenn ihn nur sein Arm nicht so sehr geschmerzt hätte. Und dann noch diese Kopfschmerzen, die immer heftiger wurden. Was sollten all die …?
    Die Musik dröhnte ihm in den Ohren, die Hitze des Saales schien mit jedem Tanz zuzunehmen, so daß Hans sich wiederholt mit dem Finger über den Kragen seines Pullovers fuhr. Die Menge kreischte und johlte und vergaß sich völlig in dieser Nacht des rasenden Vergnügens: Jung und Alt schienen gemeinsam die Hakenkreuze vergessen zu wollen, die über jedem Eingang hingen. Und Hans Keppler wollte auch dabeisein, wollte mit Anna über die Tanzfläche wirbeln und sie lachen hören, den ersten Kuß von ihr bekommen. Aber er konnte nicht. Als wäre er mit seinem Arm und seinem berstenden Kopf nicht schon genug gestraft, fing er jetzt auch noch an, fürchterlich zu schwitzen.
    »Hans, was ist los?« Anna drehte sich jetzt um und blickte ihn besorgt an. »Du siehst nicht gut aus.«
    »Ich werde wohl eine Erkältung oder eine Grippe ausbrüten.«
    Sie beugte sich vor und legte ihre geschulte Hand auf seine Stirn. »Du hast ein bißchen Fieber. Möchtest du lieber wieder nach Hause gehen?«
    »Nein, nein, es ist nicht so schlimm, wirklich. Nur mein Kopf tut mir {182} ein bißchen weh. Noch ein Schluck, und ich werde mich gleich besser fühlen.«
    Als der Kellner wieder vorbeikam, nahm Hans noch zwei Wodkas und stürzte ein Glas in einem Zug hinunter. Aber als die Kapelle mit einer bekannten Mazurka aufwartete und er aufstand, um mit Anna auf die Tanzfläche zu gehen, wurde ihm plötzlich übel. »Mein Gott!« dachte er entsetzt. »Hoffentlich haben sie mir nicht echte Fleckfiebererreger gespritzt!«
    Er ließ sich wieder auf seinen Stuhl zurückfallen, und Anna wischte ihm das Gesicht mit einem parfümierten Taschentuch ab. Sie flüsterte ihm irgend etwas zu, doch er nahm seine Umgebung kaum noch wahr.
    Nein, Szukalski würde mir das nicht antun! Oder? Nein, es ist verrückt! Warum sollte er mich töten wollen?
    Obwohl es Anna war, die ihm ins Ohr sprach, hörte er Szukalskis Stimme. »Die schlimmste Komplikation, die auftreten kann, ist, daß Ihr Körper völlig unerwartet reagiert, mit möglicherweise tödlichen Folgen.«
    »Anna …«, hörte Keppler sich sagen. »Würde es dir was ausmachen, wenn wir doch gehen. Ich fühle mich wirklich ziemlich krank.«
    Sie warf schnell ihren Mantel über und half auch Hans, seinen Mantel anzuziehen, und griff dann nach seiner Hand, während sie sich durch die Menge drängten. Als sie draußen an der frischen Winterluft waren, fiel Keppler das Atmen etwas leichter.
    »Könnten wir sofort zu meiner Großmutter gehen? Ich muß mich unbedingt hinlegen …«
    Sie eilten durch dieselben menschenleeren Straßen zurück, über die sie zum Ball gegangen waren, und wurden von einem patrouillierenden Soldaten angehalten, der schnell ihre Papiere kontrollierte und sie dann weitergehen ließ, da er Annas Geschichte glaubte, daß Keppler betrunken sei.
    Als sie das Haus seiner Großmutter erreichten, konnte er sich kaum noch auf den Beinen halten. Seine Schwäche war vor allem auf die schauerliche Angst zurückzuführen, die ihn beschlichen hatte: Er fürchtete, daß Szukalski ihm wirklich Fleckfieber übertragen hatte.
    Hans Kepplers Großmutter erschien in einem abgetragenen Morgenmantel an der Tür. Sie und Anna führten ihn zu der schmalen impro {183} visierten Schlafstatt, die er als Bett in ihrem kleinen Wohnzimmer benutzte. Hans legte sich auf das Bett, dessen vertraute Behaglichkeit er in den sieben letzten Nächten genossen hatte, und drückte sich die schwergewordene Hand auf die Stirn.
    »Geh rüber zu
Pan
Dombrowski«, sagte die Großmutter zu Anna, während sie Hans aus dem Mantel half. »Er hat Telefon, und es brennt noch Licht.«
    Anna gelang es sofort, Jan Szukalski an den Apparat zu bekommen, der im Krankenhaus noch eine Spätvisite machte. Als der Doktor eintraf, bedeutete er den beiden Frauen, den Raum zu verlassen. Diese gingen daraufhin in die Küche, um Tee zu kochen. Dann setzte sich Szukalski zu Keppler aufs Bett und musterte ihn mit forschendem Blick.
    Nach einem Augenblick meinte er: »Sie spielen nicht nur; Sie

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