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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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fühlen sich wirklich nicht gut, oder?«
    »Glauben Sie mir, Doktor: Ich sterbe.«
    »Zeigen Sie mal Ihren Arm.«
    Die Injektionsstelle war rot und geschwollen und extrem tastempfindlich.
    »Die Reaktion ist heftiger, als ich gedacht hätte.«
    »Ich fühle mich furchtbar, Herr Doktor.«
    »Das könnte ein gutes Zeichen sein, Keppler.« Szukalski blickte zur Küche und senkte die Stimme. »Es könnte bedeuten, daß eine heftige Abwehr-Reaktion vorliegt, was genau das wäre, was ich mir wünsche. Aber wir werden Sie heute nacht erst einmal ins Krankenhaus bringen, und ich erzähle Anna und Ihrer Großmutter, daß ich Fleckfieber vermute.«
    Keppler drehte den Kopf so, daß sein Blick, der fast wütend wirkte, den von Szukalski traf. »Habe ich Fleckfieber, Doktor?«
    Szukalski wägte ab, bevor er antwortete. Seine dunklen Augen wie auch sein vornehmes Gesicht drückten seine gewöhnliche, berufsbedingte Distanz aus, so daß Keppler nicht erkennen konnte, was in ihm vorging. Dann erklärte Szukalski mit wohlbedachten Worten: »Nein, haben Sie nicht; und sobald wir im Krankenhaus sind, werde ich Ihnen ein paar Medikamente verabreichen, die Ihre Beschwerden lindern.«
    Erneut wurde das Telefon von Dombrowski benutzt, um den einzigen {184} Sanitätskarren des Krankenhauses zu rufen, der von einem Pferd gezogen wurde. Dann brachte Szukalski so einfühlsam wie möglich Kepplers Großmutter die »schlechte Nachricht« bei.
     
    Bruckner und Sergej lagen im Bett entspannt nebeneinander. Das warme Essen, der Wodka und das Bad hatten beiden ein Gefühl von Wohlbehagen und Wärme gegeben, und das einzige Geräusch, das die Ruhe der Nacht störte, ging von der Heizung aus.
    Wahrscheinlich wäre die Hitze unerträglich gewesen, wenn die Männer nicht nackt gewesen wären.
    Nachdem er eine Weile an die dunkle Decke gestarrt und sich noch einmal die außergewöhnlichen Ereignisse vor Augen gehalten hatte, die zu seiner jetzigen Situation geführt hatten, stemmte sich Sergej aus dem Bett und ging in die kleine Küche. Dort begann gerade ein Topf Wasser zu kochen, in den er für ein paar Sekunden eine Flasche mit Massageöl eintauchte. Als er zurückkehrte, reichte er seinem Freund ein Wasserglas voll Wodka. Bruckner stürzte das Getränk pur hinunter und ließ sich dann zurückfallen, um das angenehme Prickeln im Magen zu genießen.
    Sergej legte eine Hand auf Bruckners Gesäßhälfte und stieß ihn leicht an, damit er sich umdrehte.
    »Ich bin froh, daß ich dich getroffen habe«, murmelte Bruckner in sein Kopfkissen, »mein Leben war vorher so öde. Es ist schon ganz angenehm, einen persönlichen Sklaven zu haben.« Er gab ein kurzes, trockenes Lachen von sich. »Auch wenn du ein elender Deserteur bist.«
    »Du darfst so was nicht sagen, auch nicht im Scherz.«
    »Warum denn nicht, es stimmt doch. Und wenn mir je danach wäre«, er schnippte mit den Fingern, »dann könnte ich dich der Gestapo ausliefern. Was, glaubst du, würden sie mit dir anstellen, Sergej? Du weißt doch, daß die Wehrmacht bei der Roten Armee keine Gefangenen macht. Sie erschießen sie oder lassen sie wie Hunde im Schnee verhungern.«
    »Und was würden sie mit dir tun? Du hast mir geholfen, mich zu verstecken. Du hast mir sogar den Job im Restaurant besorgt und jedem erzählt, ich sei ein polnischer Flüchtling aus der Ukraine.«
    »Stimmt, du hast recht. Aber ich würde dich nicht ausliefern, Sergej, {185} nicht solange du lieb zu mir bist. Die Schultern bitte, ah ja, das ist gut. Und das ganze kostbare Essen, das du mitgehen läßt. Solange wir uns umeinander kümmern,
kochany
Sergej, werden wir ein angenehmes Leben haben. Aber wenn mir je etwas zustoßen sollte, dann …«
    Die sehnigen Muskeln am Arm des Russen traten hervor, als er etwas fester massierte. Bruckner beendete seinen Satz nicht mehr. Sergej war sich nur allzu deutlich seiner Überlebenschancen bewußt, wenn Bruckner stürbe. Nicht etwa, daß ihre Beziehung glücklich und von Liebe erfüllt gewesen wäre – Bruckner war dafür viel zu kalt und berechnend –, aber wenigstens verriet er nicht seine Identität und bot ihm ein angenehmes Versteck, das einem Konzentrationslager oder dem langsamen Tod im Schnee bei weitem vorzuziehen war.
    Als sie aus der Ferne das Mitternachtsgeläute der Kirchenglocken hörten, seufzte Sergej versonnen und murmelte: »Ein glückliches neues Jahr,
moy kochany.
«
     
    Als Keppler endlich in einem Bett am äußersten Ende der Männerstation untergebracht war,

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