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Nachtzug

Titel: Nachtzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood , Gareth Wootton
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darstellte.
Pani
Lewandowska, ganz außer sich und voller Selbstanklagen ob des Unglücks ihres Enkels, hielt die ganze Zeit Wache in dem kargen Wartezimmer außerhalb der Krankenstation. Obwohl er immer wieder betonte, daß ihre Anwesenheit den Verlauf der Krankheit in keiner Weise beeinflussen könne und daß es ihm den Umständen entsprechend gutgehe, konnte Szukalski die alte Frau nicht dazu überreden, heimzugehen. So gerne er sie auch über die wahre Situation aufgeklärt und ihren Schmerz mit der Nachricht gelindert hätte, daß die Krankheit ihres Enkels nur vorgetäuscht sei, wagte Szukalski doch nicht, sie ins Vertrauen zu ziehen.
    Das andere Problem war Anna Krasinska, die Kepplers Erkrankung ebensowenig fassen konnte und von Berufs wegen freien Zugang zu seinem Bett hatte. Obwohl sie eigentlich auf der Frauenstation eine Etage höher arbeitete, nutzte Anna jede Gelegenheit, um ihn zu besuchen und zu sehen, wie es ihm ging. Und darin bestand eine Gefahr, denn als Krankenschwester hatte sie Erfahrung im Umgang mit Fleckfieberkranken.
    Keppler selbst rettete die Situation, indem er Anna mitteilte, daß er sich zu krank fühle, um Besuch zu empfangen, und daß er, wenn sie ihn in diesem Zustand sehe, nur noch kränker werde. Und obwohl es {188} Anna schwerfiel, diesen Wunsch zu akzeptieren, hatte sie ihm schließlich entsprochen.
    Dieter Schmidt dagegen erwies sich als der letzte, dem irgendeine Besorgnis hätte gelten müssen. So wie er Szukalskis Bericht über das Auftreten von Fleckfieber auf dem Wilk-Hof gleichgültig aufgenommen hatte, verhielt er sich jetzt auch bei dem zweiten Fall. Daß es sich bei dem möglichen Opfer um einen Angehörigen der Waffen-SS handelte, interessierte ihn nicht; das einzige, woran ihm lag, war, daß Jan Szukalski den Kranken isolierte und auf diese Weise eine Verbreitung der Seuche verhinderte. Die ganze Aufmerksamkeit des SS -Kommandanten galt den Widerstandskämpfern, die sein Gebiet unsicher machten.
    Am Abend vor Kepplers vierter Nacht im Krankenhaus traten Szukalski und Dr. Duszynska mit einer Flasche Essigsäure an sein Bett und verteilten mit Hilfe eines Applikators Säuretüpfelchen über Kepplers Brust, Unterleib und Schultern. Am nächsten Morgen berichtete die Oberschwester von einem frischen Ausschlag bei dem angeblichen Fleckfieberpatienten, und Szukalski leitete diese Information an Dieter Schmidt weiter. Dabei betonte er ausdrücklich, daß es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Fall von Fleckfieber handle. Szukalski teilte dasselbe auch
Pani
Lewandowska und Anna Krasinska mit, die, so schien es, in den letzten Tagen an Gewicht verloren hatte.
    Sosehr es ihn auch reute, den Kummer der beiden Frauen zu verlängern, machte Szukalski sich denoch entschlossen daran, den letzten und entscheidendsten aller Schritte des Experiments zu unternehmen: den Weil-Felix-Test.
    Drei quälend lange Tage verstrichen, bevor Szukalski Keppler eine Blutprobe abnehmen konnte. In diesen drei Tagen hatte der junge Mann immer wieder über Schmerzen und Schwindelgefühl geklagt und unter dem unangenehm juckenden Hautausschlag leiden müssen, von dem man ihn nicht erlösen konnte.
    Seit dem Neujahrsmorgen vor einer Woche hatte Keppler sich eigentlich ausgezeichnet gefühlt und sich deshalb immer wieder daran erinnern müssen, den Anschein des Krankseins zu wahren, was ihm gegenüber den anderen Schwestern und seiner Großmutter auch nicht schwerfiel. Aber wenn es in den ersten Tagen seiner Krankheit {189} darum ging, seine Rolle auch vor Anna zu spielen, mußte er sich auf eine Weise zusammennehmen, die fast seine Kräfte überstieg.
    Sie war so süß und begehrenswert. Nicht ein einziges Mal hatten sie sich bisher geküßt, nicht einmal hatte er es übers Herz gebracht, ihr seine Gefühle für sie zu offenbaren und zu sagen, wie sehr ihn ihre Liebe stärkte. Immer wenn sie ängstlich und von Sorgen gezeichnet an seinem Bett saß, drängte es ihn bis zur Verzweiflung, sie in seine Arme zu schließen und ihr die Wahrheit zu gestehen.
    Statt dessen versenkte er sein Gesicht ins Kopfkissen, stöhnte und klagte und überließ meistens ihr das Reden. Mit einem schwachen Lächeln blickte er auf ihre Blumen und dankte ihr für die köstliche Schokolade, die sie ihm besorgt hatte und die er, wie er immer wieder beteuerte, so gerne essen würde, wenn er sich nur nicht so krank fühlte. Und wenn sie ihn dann verließ, die Augen von Tränen verschleiert, voller Sorge, ob er diese

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