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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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sperrte die Wohnung auf, zog ihn hinein und verschloss sicherheitshalber die Tür. Ich beobachtete ihn genau. Auf seinem Gesicht war nichts zu lesen. Nur Trotz und unterdrückte Wut.
    – Okay, sagte ich. Wir haben viel Zeit. Kennst du die Wohnung?
    Er schüttelte den Kopf.
    – Dann erzähl mir jetzt haarklein, wie und was bei euch mit Wolfertshofer gelaufen ist.
    – Wer ist das denn?
    Das war frech. Natürlich wusste er Bescheid. Ich holte schon aus, besann mich dann aber wieder. Er war immer noch gefesselt, ihm eine reinzuhauen, widerstrebte mir.
    – Der Kabarettist, dem ihr eine Lektion erteilt habt.
    – Da war nichts. Aber auch dazu kriegst du von mir nichts zu hören. Ich bin doch kein Kameradenschwein.
    Er war verstockt, keine Frage. Aber eine so harte Nummer war der Junge nicht, dass er sich auch an dem Ort, an dem Wolfertshofer zusammengeschlagen und umgebracht worden war, gänzlich unbeeindruckt geben konnte. Allerdings musste er ja nicht an dem Mord selbst beteiligt gewesen sein.
    – So kommen wir nicht weiter.
    Ich lief die Zimmer ab, bis ich das Bad als geeigneten Ort ausgemacht hatte. Es war in einen Erker hineingebaut worden, von dem aus man direkt auf den gepflasterten Hof hinunterschaute.
    – Du voraus!
    Ich stieß ihn vorwärts.
    – Was hast du vor?
    Ich nahm Angst in seinem Gesicht wahr. Das Fenster stand bereits offen. Ich packte ihn am Kragen seiner Jacke und am Gürtel, hob ihn hoch und setzte ihn, Beine voraus, auf das Fensterbrett. Unten im Hof brannte das Licht einer Laterne.
    – Hey, hey, hey! Bist du irre oder was?
    – Guck es dir gut an. Ist ein langer Weg nach unten.
    Ich gab ihm einen Stoß, ohne allerdings Kragen und Gürtel loszulassen. Er schrie nicht, vielmehr gurgelte Panik aus ihm heraus.
    – Weißt du, sagte ich, man kann sich das doch gut vorstellen. Da kommt einer wie du an den Tatort zurück. Da hast du geglaubt, alles wegschieben zu können, aber hier wird das wieder lebendig. Der ganze Abend, die Schläge, die ihr Wolfertshofer verpasst habt – all das. Wenn du dir ein bisschen Gemüt und Gewissen bewahrt hast, dann bist du jetzt so verzweifelt, dass du aus dem Fenster springst, um Selbstmord zu begehen. Wäre doch möglich, oder?
    Ich gab ihm nochmals einen Stoß. Er gab keinen Laut mehr von sich, bog den Oberkörper nach hinten, versteifte sich, und ich konnte zusehen, wie ein dunkler Fleck in seinem Hosenschritt auftauchte und rasch größer wurde. Ich zog ihn wieder ins Bad und setzte ihn auf den Wannenrand.
    – Leg los!
    Bleich starrte er auf den Boden.
    – Da war nichts, ich schwöre es! Wir sollten seine Adresse rauskriegen. Haben wir aber nicht geschafft. Dann hieß es, dass die anderen die Veranstaltung im Schlachthof aufmischen. Aber das hat Hubert ja selbst abgebrochen.
    – Hubert?
    – Einer vom Vorstand. Er kannte da einen Typen.
    Er meinte Stan.
    – Das war es dann auch schon. Wir haben uns dann zwar noch mal getroffen, um zu überlegen, wie wir nun weiter Vorgehen, aber am nächsten Tag stand dann ja schon in der Zeitung, dass er tot ist. Außer einer Siegesfeier in der Burg am nächsten Abend . . .
    – Siegesfeier? Wie krank seid ihr eigentlich im Hirn?
    Ich überlegte kurz. Ben hatte so viel Angst, dass er mir sicher die Wahrheit gesagt hatte. Und diese fiese Fresse ertrug ich keinen Moment länger. Ich schnitt mit seinem Messer den Lederriemen auf, mit dem ich ihn gefesselt hatte. Ich zog ihn zur Tür und sperrte auf.
    – Verschwinde und kreuze nie wieder meinen Weg. Sonst prügle ich alles aus dir raus, was mit Sieg zu tun hat, egal, ob Sieg Heil! oder Siegesfeier.
    Sein Abgang hatte viel mit einem geölten Blitz zu tun. Ich löschte alle Lichter in der Wohnung, sperrte wieder ab und ging hinunter in meinen Bus. Dort saß ich wenigstens eine halbe Stunde, starrte nach draußen auf den Zaun der angrenzenden Gärtnerei und rauchte drei Zigaretten.
    27
    Als ich den Bus gestartet hatte, kam ich gerade mal fünfzig Meter weit. Dann fuhr ich wieder rechts an den Bordstein heran, schaltete den Motor aus und weinte. Hemmungslos. Alle Mühlsteine, die um meinen Hals hingen, fielen ab. Ich war nicht schuld. Die NK hatten es nicht getan. Demnach war ich an überhaupt nichts schuld. Eine unbeschreibliche Erleichterung durchrieselte mich, ich hatte das Gefühl zu schweben. Einer der wenigen Momente ereignete sich dabei, in denen ich mich mit den Augen meines Alter Ego betrachten durfte. Ich sah Gossec da unten sitzen und weinen. Ein grober Klotz, aber

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