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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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zurück an unseren Tisch, um Julius zu erlösen, der sich die Einzelheiten der Schnapskarte erläutern ließ. Wir kippten noch einen Kräuterbitter und zogen ab. Aus guten Gründen waren wir zu Fuß gekommen, die sich vor allem jetzt bewährten, weil wir unseren Bauch noch ein wenig spazieren tragen mussten und den Kopf auslüften konnten.
    Auf dem Heimweg fasste ich noch einmal die ganze Geschichte für Julius zusammen, um mich auch selbst zu vergewissern, ob das Hand und Fuß hatte, was ich vermutete, oder ob ich ein Phantom jagte.
    – Tut mir leid, sagte Julius, nachdem er sich alles angehört hatte, Dieselhofer hat recht. Das ist eine Sackgasse.
    – Und der Bildband mit dem Dossier? Und dieser Eyerkauff?
    – Für mich ist das so eine Art Stammtisch, eine Altherrenrunde. Der Rest ist Fantasie.
    42
    Ich verbrachte eine unruhige Nacht mit dem schwerem Leib, den ich mir angefressen hatte. In meinen Träumen erörterte eine Expertenrunde die Möglichkeit ungewollter Knödelschwangerschaften. Am anderen Morgen befand ich mich über einem Kaffee brütend noch in der Orientierungsphase, als draußen jemand gegen die Ladentür pochte. Ich erkannte Herrn Ernstel und sperrte auf. Erst jetzt stieg ein Graukopf aus dem Fond eines Wagens und stürmte mit wehenden Mantelschößen heran.
    – Warum haben Sie nicht gewartet?, eröffnete Landsdorfer bereits das Gespräch, obwohl er noch eine gute Strecke Wegs vor sich hatte.
    Er streckte die Hand aus und packte wie gestern bei der Begrüßung kräftig zu. Er schob mich in den Laden und nahm ungefragt auf meiner Chaiselongue Platz.
    Aus seiner Brusttasche zog er ein Etui mit Zigarillos hervor.
    – Darf man da herinnen rauchen?
    Noch bevor ich nicken konnte, klickte sein Feuerzeug.
    – Aschenbecher?
    Sein Blick glitt suchend über meinen Porzellantisch, dann hatte er das blaue Bistromodell eines italienischen Wermutherstellers entdeckt. Der Mann war schätzungsweise doppelt so hoch getaktet wie ich. Endlich fiel ihm auf, dass ich geistig noch im Schlafanzug vor ihm stand. Außerdem war es mir auch noch nicht gelungen, mich kulturbeutelmäßig frisch zu machen und mein Haar zu bändigen.
    – Ein Klient wohnt da hinten, Landsdorfer deutete natürlich Richtung Süden, und da dachten wir, wir schauen mal kurz vorbei.
    Jetzt prüfte er erst mal auf seiner Armbanduhr ab, wie viel Zeit er schon mit mir drangegeben hatte. Menschen wie er hatten große Aufgaben in der Welt zu verrichten und durften daher mit Recht erwarten, dass man sie in ihrem Bemühen nach besten Kräften unterstützte. Am liebsten würden sie ihr Ding komplett alleine durchziehen, dann hätten sie wenigstens die Gewähr, dass alles wie am Schnürchen lief. Ein Schnarchsack wie ich wuchs sich da zum Hindernis aus.
    Ich schlurfte in die Ecke und war noch nicht sicher, ob ich meinen Tabakbeutel oder den nackigen Prinzregenten holen sollte. Aber Landsdorfer war ja auch noch da.
    – Lassen Sie das mit dem Bild. Wegen der Anzeige – darum geht es doch.
    Ich pflückte meinen Tabak von der Theke und sah das wiederum schmerzerfüllte Gesicht von Herrn Ernstel. Kaufmannsschlau erleuchtete die Schlussfolgerung mein dumpfes Hirn, dass der Hunderter dennoch nicht zu returnieren war. Ich drehte mir eine Zigarette und setzte mich neben Landsdorfer.
    – Kaffee?, fragte ich.
    Das war ein gelungener Auftakt. Wenn man bedachte, dass Eindringlinge früher einmal kurzerhand erschlagen wurden, schimmerten in dieser Frage einige Tausend Jahre Zivilisation durch.
    – Was wissen Sie über die Böhmerwaldloge?
    Ich hatte das Gefühl, dass mich eine Walze platt machte. Aber man konnte sich ja auch wehren.
    – Was geht Sie das an?
    – Weil ich der Loge angehöre.
    Hoppla!
    – Und wenn Sie etwas Nicht-Wahrheitsgemäßes oder sonst wie Unpassendes über uns an die Öffentlichkeit geben, überziehe ich Sie mit Prozessen, von denen jeder einzelne Sie schon minieren könnte.
    Lebhaft geworden, nahm er den nächsten Zug an seinem Zigarillo voll auf Lunge. Der passte und wurde da unten gut verarbeitet, denn was er wieder abhauchte, hatte nur noch die Gestalt eines zarten Morgennebels.
    – Habe ich nicht vor, erwiderte ich.
    Befriedigt lehnte er sich zurück.
    – Und wo ist Ihre Broschüre?
    – Gibt es nicht.
    Er riss die Augen auf.
    – Was soll das Theater dann?
    – Ich wollte Sie und die anderen kennenlernen.
    Ganz untätig waren meine grauen Zellen auch nicht geblieben. Schließlich hatte ich ihnen nun schon eine Weile lang kräftig

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