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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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wegrutschte.
    – Sie wollen doch nicht im Ernst behaupten, dass sich solche Leute von Ihnen bestechen lassen.
    Er lachte.
    – Ich habe nichts dergleichen angedeutet.
    Mein ungläubiges Erstaunen bereitete ihm große Freude.
    – Einem Kabarettisten präsentieren Sie beispielsweise einen Überläufer, einen, der sagt, dass er Informationen über eine große Schweinerei da oder dort hat. Das können Sie gar nicht groß genug aufpumpen, dass es nicht für bare Münze genommen würde. Wie es in der Politik wirklich zugeht, wissen Bühnenleute gar nicht. Sie denken nur, dass sie mit dem Glauben an dunkle Machenschaften besonders nah an der Realität sind.
    – Aber?
    – Wir amüsieren uns im Theater ebenso gut wie Sie.
    – Und die Böhmerwaldloge?
    – Total harmlos. Ein Kreis von Ehemaligen . . .
    – Ehemalige? Was meinen Sie damit?
    – Alte Herren. Der Freundeskreis unseres ehemaligen Vorsitzenden, der sich gern zum Knödelessen trifft. Ihre Aktivitäten beschränken sich darauf, ihn in die Walhalla zu hieven.
    Mir schwirrte der Kopf.
    – Was sollte dann Wolfertshofer mit dem Dossier anfangen?
    Eyerkauff beugte sich vor.
    – Wir hatten Hinweise, dass eine große Zeitung an der Geschichte arbeitete. So in dem Sinne, dass da ein Geheimbund hinter der Partei stünde.
    Ich gab mir große Mühe, nicht zu stottern.
    – Und ist da was dran?
    – Interessiert mich nicht, sagte Eyerkauff. Mir geht es darum, was geglaubt wird und wie die Nachricht ankommt. Und ein solches Gerücht wäre nicht nur ein vollkommener Unsinn gewesen, sondern auch noch kontraproduktiv für uns. Also haben wir aus dem vermeintlichen Coup einen kabarettistischen Witz gemacht, und damit war die Geschichte publizistisch verbrannt.
    Ich hatte das Gefühl, in einen Strudel geraten zu sein, der mich in ein schwarzes Loch zog.
    – Und dann kommen Sie und graben an derselben Stelle weiter, wo die anderen aufgehört haben.
    Er legte mir die Hand auf den Unterarm.
    – Haben Sie sich schon mal klargemacht, dass Sie bislang nichts über den Tod von Wolfertshofer herausbekommen haben? Null! Sie fischen im Trüben.
    – Haben Sie bessere Informationen?
    – Nein. Aber Sie wissen ja noch nicht einmal, was am Vorabend von Wolfertshofers Tod passiert ist. Interessiert Sie nicht! Oder dass Sie mal seine Kollegen befragt hätten! Blind stolpern Sie dahin.
    Ich schwieg. Er hatte recht.
    – Kommen Sie in zwei Tagen auf den Nockherberg!
    – Zum Starkbieranstich?
    – Zu den Proben.
    Er öffnete eine Schublade, zog eine Visitenkarte hervor und überreichte sie mir.
    – Fragen Sie nach Alfons Brummer. Der war gut bekannt mit Wolfertshofer. Und geben Sie ihm meine Karte.
    Ich war entlassen.
    Der freie Fall hätte mich nicht rascher nach unten befördern können, als es der Lift tat. Ich schaute auf die Karte, die mir gerade überreicht worden war: Friedhelm Bosniak, Presse war dort aufgedruckt. Wieder erfasste mich dieser saugende Schwindel. Die Summe meiner Eindrücke und Informationen war gleich null. Vielleicht war noch nicht einmal die Visitenkarte echt. Mir schwante, dass das mit Absicht inszeniert worden war. Man drehte mich tüchtig im Kreis, und anschließend hieß es, ich solle geradeaus laufen.
    Unten angekommen ging ich zum Pförtner, der hinter einer brusthohen, granitgefliesten Theke saß. Einem Druiden hätte man mit diesem massiven kreisrunden Steinwall den Lebenstraum erfüllt.
    – Pit, sind Sie das?
    Zweifelnd legte er den Kopf schief.
    – Im obersten Stockwerk, fragte ich, welche Firma ist das denn?
    Er deutete auf die Schilder der im Haus ansässigen Firmen, die nach Etagen geordnet auf einer Tafel angebracht waren. Interfas, Marktforschung stand da. Ich stolperte durch die Drehtür nach draußen und hinunter in den U-Bahn-Schacht.
    44
    Um meinen Kopf durchzulüften, stieg ich eine Station früher aus und durchquerte den Alten Südfriedhof. Die Zeit der tapferen Schneeglöckchen war schon fast wieder vorbei, aber mit den Krokussen begann sich ein zart violetter Teppich zwischen den Gräbern auszubreiten. Auch die Narzissen hatten schon wie grüne Pfeile den Boden durchstoßen und standen bereit, ihren Dienst als Osterglocken zu verrichten. Wo Sonnenstrahlen den Boden wärmten, wehte mir mit dem lauen Lüftchen erdige Frühlingswürze entgegen, in die sich das Aroma des frischen Grüns gemischt hatte. Dieser Duft nahm alljährlich eine eindeutige Knoblauchfärbung an, und dann ernteten Sammler mit Plastiktüten den Bärlauch büschelweise ab,

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