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Nackige Engel

Nackige Engel

Titel: Nackige Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Bronski
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darf?
    Meine Stimme klang ziemlich belegt. Statt einer Antwort bekam ich sonores Lachen zu hören. Gleichzeitig fuhren die Lamellenrolläden nach oben und der Raum wurde nach und nach hell.
    – Sorry, bin Tag und Nacht auf Achse gewesen. Musste ein kleines Nickerchen machen. Und Pit hat nicht durchgegeben, dass Sie schon hochbefördert werden.
    Der Mann hinter dem Schreibtisch klopfte sich die Wangen und rieb seine Augen. Der Piepser, den er am Gürtel trug, fiepte. Er griff nach dem Telefonhörer.
    – Hoppla. War nicht aufgelegt, da haben wir schon den Fehler.
    Ich betrachtete ihn genauer. Er sah seltsam aus. Irgendwie unecht. Sein dunkelblondes Haar trug er glatt nach hinten gestrichen, wo es sich im Nacken über dem makellos gebügelten Hemd aufwellte. Seine Oberlippe zierte ein lang gezogenes, hellblond gebleichtes Menjoubärtchen. Nur mit Lineal und Wasserwaage konnte man den Haarriegel so austarieren, dass er die Strecke vom Lippenbogen zur Nase exakt drittelte. Sein Aussehen war so irritierend wie seine Sprechweise zuvor. Um ihn zu beschreiben, hätte man das seltene Modell eines ostfriesischen Ungarn bemühen müssen.
    Eyerkauff ließ die Lehne seines Stuhls hochschnalzen, warf das Kissen mit Schwung hinter sich auf ein Ledersofa und legte die Schlafbrille in die Schublade seines Schreibtischs. Dann spreizte er Daumen und Zeigefinger beidhändig ab und zielte auf mich.
    – Peng, peng!
    Seinen verqueren Humor trieb er so weit, dass er sich auch noch den Pulverdampf von den Fingerspitzen blies.
    – Falscher Film, oder was? Piroschka im Wilden Westen?
    – Kleiner Scherz, entgegnete er. Um Sie mit Ihren verfehlten Erwartungen zu konfrontieren. Und um sie zu zerstreuen.
    Über den Satz musste ich erst mal nachdenken. Später wurde mir klar, dass man dem Mann wohl in irgendeiner Ausbildung beigebracht hatte, möglichst immer das Überraschende zu tun. Ich nahm ungefragt Platz. Als ich ihn wieder ins Auge fasste, saß er mir top seriös mit gefalteten Händen gegenüber.
    – Was kann ich für Sie tun?
    – Wolfertshofer und der Prag-Bildband?
    Eyerkauff lehnte sich entspannt zurück.
    – Wir hatten eine klare Abmachung, dass das Buch in Geschenkpapier an mich retourniert wird. Zuerst hat er das versäumt, dann konnte er nicht mehr, also haben wir es uns zurückgeholt.
    – Durch einen Einbruch?
    – Sie trauen sich was! Wie würden Sie denn Ihre Aktion bezeichnen, mit der Sie sich Zugang zu seinem Atelier verschafft haben?
    – Notwehr.
    Er breitete die Arme aus, um meine Charakterisierung willkommen zu heißen.
    – Dann verständigen wir uns eben auf Notwehr.
    – Geheimdienst und Legalität sind so eine Sache . . .
    Abwehrend wedelte er mit dem Zeigefinger.
    – Nichts da von wegen Geheimdienst!
    – Dann geben Sie doch die Geschichte in Ihrer Sprachregelung wieder. Was ist da passiert?
    Eyerkauff stand auf und ging zum Fenster. Von dort aus schaute er hinüber auf den sich hinter der Isar ausbreitenden Englischen Garten.
    – Wir sind so eine Art Pressestelle und verbreiten Nachrichten, die uns bei der Durchsetzung gewisser Ziele nützlich sind.
    – Fake, oder was?
    Müde winkte er ab.
    – Die Wahrheit zu verbreiten genügt nicht. Politisch gesehen ist es viel wichtiger, der Wahrheit zum Durchbruch zu verhelfen. Verstehen Sie?
    Ich schüttelte den Kopf. Er legte den Finger auf die Lippen und machte ein listiges Gesicht.
    – In der Zeitung steht: Die Glocken läuten. Wer läutet da?
    Ich zuckte die Achseln.
    – Soll das eine Rätsel- oder eine Scherzfrage sein?
    Abwehrend wedelte er mit seinem ausgestreckten Finger.
    – Glöckner und Pfarrer müssen erst gar nicht zur Tat schreiten. Es genügt, wenn im Blatt steht: Die Glocken läuten. Das ist unsere Arbeit, wir sind der Geist der Nachrichten. Wir lassen dort die Glocken läuten, wenn sie eben läuten müssen. So einfach ist das.
    Sein blasiertes Geschwätz brachte mich auf die Palme.
    – Kann ja sein, dass Sie bei einem gut gezapften Gespräch jemandem mal wieder richtig schön die Eier kraulen möchten. Aber nicht mir! Warum haben Sie Wolfertshofer dieses Dossier gegeben?
    Resigniert tupfte er mit seinem Taschentuch die Oberlippe ab.
    – Ich hatte gehofft, Sie seien ein philosophischer Kopf.
    – Irrtum. Man kann es mir nicht klar und einfach genug sagen.
    – Also schön, für Sie das rohe, noch gänzlich unbehauene Stück Wahrheit: Wir arbeiten immer schon mit dem Kabarett.
    Ich konnte nicht zulassen, dass mein komplettes Weltbild

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