Nackt schlafen ist bio
grünes Abenteuer dem Höhepunkt zusteuerte, gestanden sie mir nur allzu bereitwillig meine Extrawürste zu und befolgten sogar die meisten meiner Öko-Gebote. Doch während Amy mit Anfang zwanzig selbst ein ziemlicher Hardcore-Öko gewesen ist und sich daher mit fair gehandelten Bio-Seifen und der Selbstabfüllabteilung im Bio-Supermarkt bestens auskennt, interessiert sich Joel nur am Rande für Umweltbelange – wie ihn überhaupt alles außer Essen, Trinken, Filme, Musik und Bücher wenig interessiert, und genau deshalb mag ich ihn.
Nach zwei Wochen voller Geselligkeit, Einkaufstouren und täglichem Brunch ging es für Joel und Amy nun zurück nach Korea. Als wir uns voneinander verabschiedet hatten, brachte ich danach eine Weile nur damit zu, die Stille zu genießen.
Gegen Mittag klingelte es an der Tür.
Es war ein Bote mit einem Strauß gelber Orchideen. Auf der beigefügten Karte stand: »Vielen Dank, dass Du uns bei Dir hast wohnen lassen. Die Blumen hier sind fair gehandelt und die Verpackung biologisch abbaubar. Ich hoffe, sie gefallen Dir, und alles Gute für die letzten Tage Deines grünen Jahres – sag Bescheid, wie die Party war!«
Das war Amys Handschrift. Darunter hatte Joel noch etwas gekritzelt.
» PS : Scheiß auf die Umwelt.«
Ökologisch, aber zynisch. Sie kannten mich gut.
28. FEBRUAR , 365. TAG
Die Öko-Sünden anderer Menschen ausbügeln
So lange hatte ich auf den Moment gewartet, an dem ich »365. Tag« in die Kopfzeile meines Blogs eintippen konnte. Aber wegen dieser blöden Frühlings-Tagundnachtgleiche und der hinterhältigen Sache mit dem Schaltjahr bin ich gezwungen, mir noch eine weitere Maßnahme auszudenken. Vielleicht hatte es also etwas mit heimlichem Groll zu tun, dass ich mir in meinem heutigen Beitrag ausgerechnet das Ausbügeln von anderer Leute Öko-Sünden vorgenommen habe: Plastikflaschen vom Restmüll in die Recyclingtonne werfen und Styroporbecher umgekehrt, den Wasserhahn zudrehen, wenn jemand neben mir es »vergessen« hat, Autofahrer auffordern, ihren Motor nicht im Leerlauf laufen zu lassen, und so weiter.
Aber was mich noch mehr frustriert, ist, dass ich zwar 365 Öko-Schritte gegangen, aber dennoch keineswegs eine Expertin in irgendwelchen Umweltfragen geworden bin. Als ich gebeten wurde, bei verschiedenen Earth-Day-Veranstaltungen einen Vortrag zu halten, musste ich die Organisatoren darauf hinweisen, dass ich im Grunde keine Ahnung habe, wovon ich spreche – außer vielleicht, dass gebrauchte Taschentücher eklig sind und Fleisch von Tieren aus Freilandhaltung besser schmeckt. Zudem werde ich immer öfter von Freunden um meine Meinung gefragt, etwa ob Stoffwindeln Öko-Windeln aus Papier vorzuziehen sind, ob man Kartons zusammenfalten muss, ehe man sie zum Altpapier gibt, und ob man fettige Pizzaschachteln überhaupt recyceln kann. Die Antworten auf all diese Fragen weiß ich auch jetzt noch nicht.
Offensichtlich ist die Infrastruktur unseres Planeten viel zu komplex und detailreich, als dass ein einzelner Mensch sie begreifen könnte (ausgenommen vielleicht Stephen Hawking). Das ist vermutlich der Grund, weshalb wir immer noch darüber diskutieren, ob die Autos der Zukunft mit Wasserstoff, Bio-Sprit oder elektrisch betrieben werden sollen und ob Solarenergie vorteilhafter ist als Windkraft, und weshalb wir sogar Studien in Auftrag geben, die den vom Menschen verursachten Anteil an der globalen Erwärmung exakt bestimmten sollen. Das Problem der Öko-Bewegung ist, dass die meisten Durchschnittsbürger in der Ersten Welt – also Leute wie ich – ihre Lebensweise in vielerlei Hinsicht umstellen müssen, ohne wirklich zu verstehen, warum – abgesehen von Plattitüden wie »Ist gut für die Umwelt«. Manchmal müssen wir sogar erst einmal Fehler machen, indem wir unnütze oder sogar schädliche Veränderungen vornehmen: So gelten einmal Weinflaschen aus PET -Plastik als die ökologischsten, weil sie leicht und gut recycelbar sind, ein andermal Tetrapak-Verpackungen, weil PET -Flaschen Hormone freisetzen; und irgendwann kommt man wieder auf Glasflaschen zurück, weil uns das Öl für die Kunststoffproduktion ausgeht. Heißt das, dass wir uns gar nicht erst die Mühe machen sollen, etwas zu verändern, weil Kritiker und Wissenschaftler uns ohnehin ständig etwas Neues erzählen? Selbstverständlich nicht. Aber ich wünschte mir wirklich, wir könnten besser verstehen, welche Veränderungen die positivsten Auswirkungen haben, anstatt 366-mal auf gut Glück
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